ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Blutiger Lorbeer und wenig Licht
Das kleine mittelamerikanische Land Honduras hat in seiner 188-jährigen Geschichte bereits über 100 Staatsstreiche erlebt. Der letzte ereignete sich jetzt vor zwei Wochen. Seither segelt der vom Militär abgesetzte Präsident Manuel Zelaya im amerikanischen Luftraum hin und her. Armeefahrzeuge auf der Landebahn in Tegucicalpa machten eine Rückkehr Zelayas unmöglich. In der venezolanischen Maschine aus Washington kommend flog er so über Honduras hinweg und weiter nach Nicargua.
Putschisten sind blöd. Aber wer ist dieser Manuel Zelaya, wofür steht er? Ursprünglich ein reicher Rinderzüchter, der gern Schnauzbart und Stetson-Hüte trägt, hat er als Präsident tatsächlich Reformen zugunsten der Ärmeren betrieben. Ähnlich wie Hugo Chávez in Venezuela oder Evo Morales in Bolivien sieht er sich dabei in der Tradition des Simón Bolívar.
Wer bei Internetbuchhändlern das Stichwort „Honduras“ eingibt, kriegt neben Reiseführern, Mauspads oder T-Shirts mit der honduranischen Nationalflagge angeboten. Deutlich anspruchsvoller ist das Angebot beim Stichwort „Simón Bolívar“. Ein Umweg kann helfen, manches besser zu verstehen. Denn auch wenn die Ablehnung des Putsches in Honduras endlich einmal einhellig ist, so bleibt Manuel Zelayas an den „Libertador“ Bolívar angelehnte Rhetorik umstritten. Nicht wenige sagen, sie sei Teil des Problems und nicht der Lösung.
„Egal wie man den Libertador und sein Vermächtnis interpretiert – der extreme Personalismus, den der Bolívar-Kult verkörpert, lässt für die Demokratie in Venezuela und anderswo nichts Gutes erwarten“, schreibt Norbert Rehrmann in seiner aktuellen Simón-Bolívar-Biografie (Wagenbach, 2009). Er verdeutlicht anschaulich, warum sich der „Befreier Südamerikas“ bis heute so glänzend für die aktuelle Politik eignet und welche Gefahren mit dem neuen Autoritarismus verbunden sind. Bolívars antikolonialer Befreiungskampf gegen die Spanier war einer der neuen Oberschichten. Im linken Antiimperialismus wurde er aber quasi religiös uminterpretiert. „Uns leitet dein Schatten / Der Lorbeer und das Licht / Deines roten Heeres“, so dichtete einst Pablo Neruda.
■ Der Autor leitet das Kulturressort der taz Foto: privat