ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Parker Bilal, Politik und Verbrechen
Während UNO und Arabische Liga mit Meldung vom 9. Februar tatsächlich verkünden, nun zu erwägen, eine gemeinsame Syrien-Beobachtermission zu bilden (die militärische Niederschlagung des dortigen Aufstands durch die Assad-Banden geht in den elften Monat), habe ich längst beschlossen, meine literarische Beobachtertätigkeit auf den gesamten Nahen Osten auszudehnen.
Während also der Schlächter von Damaskus mit seinen russischen Panzern gerade die Metropole Homs schleift und seine Folterknechte sogar die Verwundeten aus den Krankenhäusern holen, um sie zu ermorden, liege ich auf dem westlichen Diwan und lese. Aktuell Parker Bilal, „Die dunklen Straßen von Kairo“ (Rowohlt 2012).
Parker Bilal ist das Pseudonym von Jamal Mahjoub. Der 1960 geborene britisch-sudanesische Schriftsteller machte sich bereits mit „Die Stunde der Zeichen“ (Edition Büchergilde 2008) einen Namen. Sein historischer Roman erzählte packend von der Rebellion gegen die anglo-ägyptische Herrschaft im Sudan Ende des 19. Jahrhunderts. Sein neuer Thriller, „Die dunklen Straßen von Kairo“, dringt nun in die Gegenwart Ägyptens vor, eine, die wie in Syrien stark umkämpft ist. Es ist noch keine zwei Wochen her, dass in Port Said 70 Fußballfans massakriert wurden, die mehrheitlich zum Kairoer Hauptstadtklub Al-Alhi gehörten, dessen Anhänger der Opposition zugerechnet werden.
„Die dunklen Straßen von Kairo“ handelt vordergründig ebenfalls von Fußball, genauer aber von Politik und Verbrechen. Adil Romario, ein Kairoer Fußballstar, ist verschwunden. Und Makana, ein vor den Islamisten aus Sudan geflüchteter früherer Kriminalkommissar, soll ihn finden. Die Ermittlungen führen Makana, der auf einem Hausboot am Ufer des Nil lebt, in ärmliche Altstadtquartiere sowie die Casinos der Neureichen.
Parker Bilal entwirft ein vielschichtiges Bild von Kairo. Und dabei werden viele wie Makanas Auftraggeber, der mächtige Vereinsboss Saad Hanafi, in diesen Tagen von ihrer Vergangenheit eingeholt: „Jetzt erkennt man die Ganoven an dem breiten Lächeln, mit dem sie auf uns herabsehen.“ Das Volk vergisst nicht.
■ Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz. Foto: privat