ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Porno-Western vor libyscher Leinwand
Navy Seals finden Pornos im Versteck Osama bin Ladens in Abbottabad. US-Ermittler verhaften IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in New York, er steht im Verdacht, ein Sexualdelikt begangen zu haben. Die Schlagzeilen dieser Tage werden beherrscht von Sex & Crime im Zusammenspiel mit politischer Macht. Wo es um die moralische Reinheit von politische Symbolfiguren geht, wird schnell öffentlich spekuliert und skandalisiert. Das auch, wenn der Wahrheitsgehalt der Behauptungen schwer abzuschätzen ist. Was ist Propaganda, was könnte einem größeren politischen Ränkespiel geschuldet sein?
Weitaus weniger Aufmerksamkeit erzielt bei dieser Gemengelage ein Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag diese Woche erließ. Chefankläger Luis Moreno Ocampo meint belegen zu können, dass Muammar al-Gaddafi, sein Sohn Saif al-Islam und sein Schwager Abdullah al-Senussi die Hauptverantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen tragen – Vergewaltigung als Foltermethode inbegriffen. Das Regime Gaddafis lässt, so Ocampo, Zivilisten systematisch foltern und verschwinden, begeht gravierende Verstöße gegen internationales Völkerrecht und Genfer Konvention.
Der Völkerrechtler Gerd Hankel sieht die „staatsinterne Geltung der Menschenrechte“ als eine Voraussetzung für das souveräne Ausüben des Selbstbestimmungsrechts einer Nation („Das Tötungsverbot im Krieg“, Hamburger Edition, 2011). Insofern dürfte die relativ neue Den Haager Praxis, auch gegen amtierende Staatsterroristen juristisch vorzugehen, Hankels Zustimmung finden. Nur was macht man mit Verbrechern, die sich nicht einfach stellen und abführen lassen? Wer sich für Sex & Crime interessiert, fände derzeit jedenfalls die dramatischste und am einfachsten zu belegende Verbrechenslage in Libyen.
■ Der Autor leitet das Kulturressort der taz Foto: privat