AN DER KASSE : Unverschämtheit!
Hack! Mit der Wucht eines Eispickels landet die Spitze seines Zeigefingers, vom Daumen unterstützt, auf dem Tastenfeld. Hack! Hack! Der Mann an der Kasse ist stinksauer, „Unverschämtheit“, zischt er mit hochrotem Kopf und schickt dem alten Mann, den er eben bedient hat, einen hasserfüllten Blick hinterher. Hack!
Keine Ahnung, was der Alte gesagt hat. Spielt wahrscheinlich gar keine Rolle. Schließlich habe ich vor ein paar Tagen, vielleicht auch Wochen – wer merkt sich so etwas? – exakt dieselbe Szene erlebt. Hack! „Unverschämtheit!“ Böser Blick. Hack!
Eigentlich reichen zwei Beobachtungen noch nicht, um daraus ein Muster abzuleiten. Aber es waren eben genau die beiden Male, die ich dem Mann an der Kasse bislang begegnet bin. Sonst sitzt da die asymmetrisch Blondierte. Zweimal gesehen, zweimal wütend.
Während die beiden Mädchen vor mir Münzen herauskramen, um ihre chinesischen Trockennudeln mit Entengeschmack zu bezahlen („halal“ ist das Zeug auch noch, sehe ich), überlege ich, wie mit der offenbar notorischen Scheißlaune des Kassenmannes umzugehen wäre. Früher hätte ich mich selber aufgeregt. Weil ich es verabscheue, wenn Leute anderen ihr schlechtes Karma unter die Nase reiben. Aber Gleiches mit Gleichem vergelten funktioniert ja am Ende doch nicht.
Ich beschließe, seine Galligkeit als Folie zu betrachten, vor der sich meine Stimmung an diesem noch jungen Tag umso freundlicher entfalten kann: Danke fürs Fluchen, Mann an der Kasse, danke fürs Erinnern daran, wie gut uns Menschen eine dezent gute Laune steht. Danke und tschüs.
Als er mir das Wechselgeld in die Hand drückt, trifft mich sein Atem: ein warmer, alkoholgeschwängerter Dunst. Ich streiche in Gedanken meine letzten Sätze. Die gute Laune muss ich mir heute anderswo besorgen.
CLAUDIUS PRÖSSER