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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Ausflug der Zweckoptimisten

BASEBALL Für die L.A. Dodgers und die Arizona Diamondbacks beginnt die Saison in Australien. Das sorgt nicht gerade für Begeisterung

Zack Greinke hat genau nachgemessen. Exakt „null Begeisterung“ gäbe es bei ihm, dem Baseball-Profi und seinen Baseball-Profi-Kollegen von den Los Angeles Dodgers darüber, 12.000 Kilometer auf die andere Seite des Erdballs zu reisen, um zwei Baseballpartien zu spielen. In Sydney werden die Dodgers am kommenden Wochenende in die neue Saison der Major Leage Baseball (MLB) starten, zweimal werden sie gegen die Arizona Diamondbacks antreten. Greinke, der Star-Pitcher der Dodgers, hat allerdings keine Lust auf die lange Reise nach Down Under.

Nun wird Greinke dafür, dass er einen Baseball platziert und hart werfen kann, auch überdurchschnittlich gut bezahlt. 147 Millionen Dollar schwer ist der Sechsjahresvertrag, den der 30-Jährige vor gut einem Jahr in Los Angeles unterschrieben hat. Und damit die Franchises der MLB auch künftig solch exorbitante Gehälter zahlen können, sucht die Liga stets nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten, nicht zuletzt im Ausland. Greinkes Chef sieht den Ausflug nach Australien denn auch mit anderen Augen: „Es ist eine Ehre und ein Privileg, eingeladen zu sein“, sagt Dodgers-Präsident Stan Kasten. „Wir fühlen uns verpflichtet, Baseball international zu entwickeln.“

Wie die Basketball-Liga NBA und die Football-Liga NFL schickt auch die MLB immer wieder Vereine hinaus in die weite Welt, um für den amerikanischen Nationalsport zu werben. Bereits zum siebten Mal wird die feierliche Saisoneröffnung werbewirksam in der Fremde inszeniert. Bislang war man allerdings eher in Ländern zu Gast, in denen Baseball eine der wichtigsten Sportarten ist. Erstmals wagte man das Experiment 1999 im mexikanischen Monterrey, 2001 war man in Puerto Rico, und schon viermal spielte Tokio den Gastgeber. Kein Wunder, denn in Japan ist Baseball zusammen mit Sumo-Ringen die Nummer eins noch vor Fußball – und in der MLB spielen schon seit Jahren diverse Stars aus Fernost.

Die Reise nach Australien dagegen ist eine Reise in ein Baseball-Entwicklungsland. Für die beiden Spiele zwischen den Dodgers und den Diamondbacks wird extra der Sydney Cricket Ground umgebaut. Reine Baseball-Stadien in entsprechender Größe gibt es in Australien nicht. Hier läuft Baseball – ähnlich wie in Europa – in der öffentlichen Wahrnehmung unter ferner liefen. Die Australier lieben Rugby und Cricket, Schwimmen und mittlerweile auch Fußball, vor allem aber ihren Australian Rules Football, footy genannt, eine so spezielle wie brutale Mischung aus Rugby, Fußball und erster Hilfe. Baseball dagegen gehört nicht einmal zu den 15 beliebtesten Sportarten in Australien.

Nur 1.400 Zuschauer

Die Einschätzung von Stan Kasten, Australien sei „einer der aufregendsten und sich am schnellsten entwickelnden Baseball-Märkte der Welt“ darf man getrost als Zweckoptimismus bezeichnen. Zu den Spielen der gerade mal sechs Mannschaften der Australian Baseball League (ABL) kommen, so die offizielle Statistik, zwar mittlerweile 1.400 Zuschauer im Schnitt, aber immer noch sind selbst Schwimmen oder Feldhockey weitaus populärer. Dass Baseball im Allgemeinen und die ABL im Besonderen einen Schub bekommen, liegt allerdings im Interesse der MLB. Denn das nordamerikanische Mutterschiff ist 75-prozentiger Anteilseigner der seit vier Jahren existierenden, aber immer noch kränkelnden australischen Profiliga, nur das restliche Viertel gehört dem australischen Baseball-Verband.

Zack Greinke ist die ABL allerdings herzlich egal. Er sorgt sich vielmehr um seine ganz persönliche Saisonvorbereitung. Während die anderen 28 Klubs der MLB erst eine Woche später den Spielbetrieb aufnehmen und bis dahin noch fleißig üben können, müssen die Dodgers das Trainingslager abbrechen, 15 Stunden nach Sydney fliegen, am Donnerstag gegen ein australisches Allstar-Team antreten, dann am Samstag und Sonntag in einem improvisierten Stadion gegen die Diamondbacks spielen und schließlich wieder 15 Stunden zurückfliegen. Irgendwie kann man Zack Greinke ja verstehen, wenn er grummelt. „Mir fällt absolut kein Grund ein, begeistert zu sein.“ THOMAS WINKLER