AMBROS WAIBEL ÜBER DAS BELASTETE WIESNJUBILÄUM : Prosit und Terror
200 Jahre Oktoberfest: das ist unbedingt ein Grund zum Feiern. Dieses angeblich größte Volksfest der Welt stellt die bayerische Variante der Chaostage da. Zur Wiesnzeit häufen sich Verhaltensweisen, die sonst eher nicht gewünscht sind und manche – etwa Totschlag und Vergewaltigung –, die nie toleriert werden können.
Vielleicht lag es an dieser allgemeinen Laissez-faire-Stimmung, dass Münchens OB Christian Ude sich heuer im Februar im kanadischen Vancouver zu der – später offen und ehrlich bedauerten – Aussage hinreißen ließ, das Fest „has never had a major security incident“. Tatsache ist, dass auf der Theresienwiese in diesem Jahr auch noch an ein anderes Ereignis als an eine Prinzenhochzeit zu erinnern ist: Dreizehn Menschen starben am 26. September 1980 durch eine vor dem Haupteingang detonierte Bombe, über 200 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt – der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Vonseiten der Behörden gilt die Sache als geklärt: Es soll ein Einzeltäter gewesen sein – der Neonazi Gundolf Köhler –, die Beweismittel wurden entsorgt. Mit guten Gründen verlangen Opfervertreter und Anwälte die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Man muss kein Freund von Verschwörungstheorien sein, um an die zunächst versuchte Instrumentalisierung und anschließende Bagatellisierung des Verbrechens durch den damaligen Ministerpräsidenten und Unions-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß zu erinnern. Das Wiesnattentat wird aller Voraussicht nach nie eine befriedigende Aufklärung finden. Die Toten, die Eltern, die ihre Kinder verloren haben, und die von dem Anschlag Gezeichneten verdienen aber unser kontinuierliches Gedenken – genauso wie die mindestens 137 Menschen, die seit 1990 von Neonazis in diesem Land totgeprügelt, verbrannt und erschossen wurden.