ALTERSVORSORGE: ARBEITEN, SPAREN UND VOR ALLEM GESUND BLEIBEN : Science Fiction mit Rente und Erbe
„Deutschland ist ein Irrenhaus. Und hier ist die Zentrale.“ Der Spruch hängt zur Aufheiterung der Angestellten in manchen Behörden. Im Moment ist klar, wo die Zentrale liegt: Überall, wo in der Politik jemand etwas über die Zukunft der Renten weissagt. Jüngster Beweis ist der Streit um die Heraufsetzung des Rentenalters. Die Rürup-Kommission schlägt vor, das gesetzliche Renteneintrittsalter bis zum Jahre 2035 von heute 65 auf 67 Jahre steigen zu lassen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering möchte das lieber nicht, denn die Leute werden von den Arbeitgeber doch heute meist schon mit 60 Jahren in den Ruhestand geschickt.
An diesem Schlagabtausch ist gut zu erkennen, worin der Wahnsinn der Rentendebatte besteht: erstens in der zeitlichen Dimension der Vorschläge und zweitens im Auseinanderklaffen dieser Zukunftsprojektionen und der heutigen Realität auf dem Jobmarkt. Da es bei den Renten um langfristige Verteilung geht, muss die Politik dreißig Jahre in die Zukunft planen. Sie entwirft damit Lösungen für eine Erwerbswirklichkeit, die heute niemand kennt. Kann man ja machen, das Rentenalter im Jahre 2035 schon mal vorsorglich auf 67 Jahre heraufsetzen. Doch wenn dann in Zukunft hunderttausende von Übersechzigjährigen, die keine Jobs mehr finden, erst jahrelang von Sozialhilfe leben müssen, bis sie Rente kriegen, zahlen auch das die Jüngeren über ihre Steuern.
Die Rentendebatte ist also etwas Virtuelles, Science Fiction, deren Ziel darin besteht, die Zukunftsängste der Älteren und Jüngeren in Schach zu halten. Doch klar ist: Es wird künftig mehr Wettbewerb, mehr Spaltungen geben. Die Lage auf dem Jobmarkt wird sich verschärfen, dem kündigungsgeschützten Endfünfziger wird der befristet beschäftigte 33-Jährige neidvoll gegenüberstehen, aber auch der joblose 50-Jährige, der nur noch Sozialhilfe bekommt. Und selbstverständlich muss man wie in den USA in jungen Jahren das Gehalt so hoch wie möglich treiben, um für die weniger nachgefragten späteren Jahre privat anzusparen.
Entscheidender als die öffentlichen Verteilungssysteme werden die privaten sein: Wer von den Eltern eine Erbschaft erwartet, der verschmerzt die hohen Einzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse. Aber das kann sich schnell ändern: Denn wenn die Eltern krank im Pflegeheim landen, verbrauchen sie ihr Vermögen. Ferner: Wer erbt, aber dieses Geld selbst für sein Alter braucht, kann wiederum seinen Kindern nichts hinterlassen. Klar ist: Nicht eigene Leistung, sondern das Schicksal wird künftig mehr über die materielle Biografie entscheiden. BARBARA DRIBBUSCH