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Archiv-Artikel

ALTENBERICHT: RENTE MIT 67 MACHT ARM. UND ARBEITSPLÄTZE FEHLEN Egal, was die Experten sagen

Das ist originell: Erst lässt die Bundesregierung den „Altenbericht“ zur Lage der Senioren im Lande ein Jahr herumliegen. Und nachdem er dann gestern endlich durch das Kabinett gegangen ist, erklärt sie ihn für überholt. Das hat einen Grund: Die von Rot-Grün berufenen Experten haben zum Thema „Rente mit 67“ eine vollkommen andere Auskunft erteilt, als es der schwarz-roten Regierung passt. Zwar waren die Wissenschaftler uneins darüber, unter welchen Bedingungen eine Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre akzeptabel wäre. Durchaus einig aber waren sie sich darin: so, wie Sozialminister Franz Müntefering (SPD) das angekündigt hat, jedenfalls nicht. Ohne mildernde Faktoren schickt man die Menschen in Altersarmut. Denn wer es nicht bis 67 schafft, wird seine Rente nur mit beträchtlichen Kürzungen bekommen.

Und daran wird auch Münteferings Programm „50 plus“ nichts ändern, das er vor der Sommerpause präsentieren will und mit dem er die Beschäftigungschancen der Älteren steigern möchte. Denn auch hierzu haben die Rentenexperten in den Statistiken gewühlt und herausgefunden, dass allein zur Anhebung der Beschäftigungsquote der Über-55-Jährigen auf 50 Prozent bis 2010 rund 800.000 zusätzliche Arbeitsplätze benötigt werden. Ein, vorsichtig formuliert, anspruchsvolles Ziel. Zumal wenn man etwa mit einer Gesundheitsreform zwar neue Jobs in einer gewaltigen „Fonds“-Bürokratie schaffen will, aber sie andernorts in weit größerem Maße vernichtet.

Nachdem aber Müntefering und die gesamte Regierung sich nun schon längst auf die langsame Verschiebung des Rentenalters ab dem Jahr 2012 festgelegt haben, nutzen solch sachliche Erwägungen nichts mehr. Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Regierungsberichte ignoriert, lässt sich ein Vorgang konstatieren, der etwa auch in den USA zu beobachten ist. Auch dort hat sich eine Regierung von sämtlichen Erkenntnissen, die der wissenschaftliche Apparat ihr zur Verfügung stellt, abgesetzt und durch einen ideologisch-lobbyistischen Komplex an Überzeugungen ausgetauscht. Nur können die Unsrigen bei der Herstellung von mehr Armut noch nicht einmal ihre Religion vorschieben. ULRIKE WINKELMANN