ALLZU GRÜN WIRD DIE ZUWANDERUNGSREGELUNG AUCH OHNE UNION NICHT : Die Schily-Krise
Die Grünen haben sich in der Zuwanderungsfrage klug verhalten. Auch wenn Angelika Beers Ultimatum an die Union eine törichte Propagandageste ist – der Ausstieg aus den Verhandlungen poliert das grüne Image auf und ist inhaltlich wohl begründet. Denn: Niemand braucht ein als Zuwanderungsgesetz verkleidetes Sicherheitsgesetz – außer die Union.
Der grüne Ausstieg scheint indes einen Folgeschaden zu haben: die Koalitionskrise, von der allenthalben die Rede ist. Doch je näher man sich diese Krise anschaut, umso kleiner wird sie. Ein rot-grüner Bruch wäre nur absehbar, wenn die SPD sich alleine mit der Union einigt. Doch das will keiner in der SPD – außer Otto Schily. Genau genommen haben wir es mit einer Schily-Krise zu tun.
Dabei sind drei Dinge zu beachten: Schily hat von Beginn an die Idee verfolgt, die Zuwanderung im Konsens mit der Union zu regeln. Das war auch rational angesichts des 1999 desaströs gescheiterten Versuchs, das Staatsangehörigkeitsrecht im rot-grünen Alleingang zu reformieren. Zudem decken sich Schilys Sicherheitsvorstellungen mit denen der Union – und das seit dem 11. 9. mehr denn je. Schily spielt derzeit wieder jene Rolle, mit der er 1997 ministrabel geworden war. Damals handelte er mit der Union – und gegen weite Teile der SPD – den Kompromiss zum großen Lauschangriff aus. Damals ließ die SPD-Spitze ihn gewähren, denn sie wollte das Thema unbedingt vor dem Wahlkampf vom Tisch haben. Heute dürfte die SPD indes wenig Lust verspüren, die Koalition zu riskieren, nur weil Schily dies gefällt. Kurzum: Dies ist eher ein Konflikt innerhalb der SPD als in der Koalition. Unlösbar ist er nicht, zumal Kanzler Schröder eine gewisse Übung darin hat, Schily auszubremsen.
Und nun? Rot-Grün kann einige vernünftige Dinge, von der erweiterten Green Card bis zur Integration, ohne die Union umsetzen. Die Grünen wollen dies, die SPD zögert – noch. Und wenn die Grünen wirklich klug sind, richten sie sich schon mal auf viele Kompromisse dabei ein. Denn in der Migrationspolitik gibt es, auch ohne die Union, keinen grünen Durchmarsch. STEFAN REINECKE