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AKW-Stendal: Ministerpräsident prescht vor

■ Werden die Verhandlungen über das Atomkraftwerk Mitte 1992 abgeschlossen sein?

Magdeburg (taz) — Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Werner Münch will sein Land in eine strahlende Zukunft führen. Am Rande der Industrie-Messe in Hannover sagte Münch, daß die derzeit laufenden Verhandlungen über einen Kraftwerkbau in Stendal vermutlich bis Mitte des Jahres abgeschlossen seien. Nicht nur bei der Opposition löste er damit Proteste und Irritationen aus.

„Wir wissen nichts von derartigen Verhandlungen“, sagte der Sprecher von Umweltminister Wolfgang Rauls, Johannes Altincioglu. „Und auch im Wirtschaftsministerium ist von solchen Gesprächen nichts bekannt.“ Wieder mal ein Alleingang des inzwischen selbst von Kabinettsmitgliedern als selbstherrlich kritisierten Münch? Fest steht, daß die Landesregierung sich in ihrem Energieplan durchaus die Option auf Nutzung der Atomenergie offengehalten hat. Aber klar war in diesen Diskussionen auch, daß ein Atommeiler nicht ohne den auch im Bund beschworenen „nationalen Konsens der großen Parteien“ kommt — und vor allem nicht ohne definitive Klärung der Entsorgungsfrage.

Zunächst soll in Stendal ein Steinkohlekraftwerk entstehen. Und zwar auf dem Gelände des AKW, dessen Bau noch von der alten SED-Regierung begonnen wurde.

Aber schon im gültigen Bebauungsplan für das Gelände wird auch ein Atommeiler ausgewiesen. Und für ein solches Projekt ist der Standort nicht schlecht gewählt. Schließlich waren die Bewohner der Region um Stendal schon einmal mit dem Bau eines Atommeilers konfrontiert — und konnten sich an ihre strahlende Zukunft gedanklich gewöhnen.

Die SPD-Opposition sieht allerdings große Gefahren für mehr als 1.000 Arbeitsplätze in der ohnehin strukturschwachen Altmark. „Auf dem Baugelände des ehemaligen AKW wollen sich zahlreiche mittelständische Betriebe ansiedeln“, sagt Peter Oleikiewitz von der SPD. „Ob die auch kommen, wenn hier ein Atomkraftwerk entsteht, ist sehr zweifelhaft.“

Die SPD werde sich jedenfalls mit allen Mitteln einer strahlenden Zukunft für Sachsen-Anhalt widersetzen.

Proteste gibt's auch von Bündnis 90/Grüne. Für deren umweltpolitische Sprecherin Heidrun Heidecke ist Ministerpräsident Werner Münch mittlerweile „umweltpolitisch unberechenbar“.

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