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AKW Obrigheim bleibt in Betrieb

■ Baden–württembergischer Landtag hat Stillegung mit großer Mehrheit abgelehnt / Wirtschaftsminister Herzog: Viele Teilgenehmigungen ersetzen eine Dauergenehmigung / FDP teilt Sicherheitsbedenken der Grünen

Stuttgart (dpa) - Der baden– württembergische Landtag hat eine sofortige oder baldige Stillegung des AKWs Obrigheim gestern erwartungsgemäß mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Abschaltung war von den Grünen mit Hinweis auf gravierende Sicherheitsmängel und die angeblich fehlende Dauerbetriebsgenehmigung des 19 Jahre alten Reaktors gefordert worden. In einer teils erregt geführten Debatte warfen Vertreter der Grünen zuvor der Landesregierung ein „leichtfertiges Spiel mit Leben und Sicherheit der Bürger“ vor. Wirtschaftsminister Herzog (CDU) entgegnete, die Grünen trieben ein „böses Spiel mit der Angst“. Die Summe der Teilgenehmigungen für den Reaktor bedeute de facto eine Dauergenehmigung. Der Minister räumte ein, ein entsprechender Satz in einer der acht Teilgenehmigungen mit ausdrücklicher Verwendung des Wortes „Dauergenehmigung“ wäre „sicher nicht schädlich gewesen“. An der Rechtslage hätte dies jedoch nichts geändert. Die Öffentlichkeit sei zu jeder Zeit ausreichend am Genehmigungsverfahren beteiligt gewesen. Der Fraktionschef der Grünen, Fritz Kuhn, verglich dagegen das Verfahren mit einem Führerschein, der einem Kraftfahrer schon dafür verliehen werde, daß er 20 Jahre ohne das Papier unfallfrei gefahren sei. „Es gab keine ordentliche Genehmigung im Sinne des Atomgesetzes“, sagte Kuhn. Er verwies außerdem auf die mangelnde Auslegung des Reaktors gegen Flugzeugabstürze und einen Bruch der Hauptkühlmittelleitung. Für die FDP erklärte der Abgeordnete Morlok, der Verfahrensablauf bei Obrigheim falle „wohl doch etwas aus dem Rahmen“. Auch seien die Sicherheitsbedenken der Grünen „nicht ganz wegzuwischen“: Obrigheim sei zwar kein Pannenreaktor, dennoch würden heutzutage weit höhere Anforderungen an die Sicherheit eines Reaktors gestellt. Reaktoren, bei denen dieser Standard aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht realisiert werden könne, müßten so schnell wie möglich vom Netz. Dies sei aber im Fall Obrigheim erst genau zu prüfen. Die SPD hatte unter Hinweis auf die Sicherheitsmängel von Obrigheim eine Abschaltung bis 1989 verlangt. Mit ihrer Forderung nach sofortiger Stillegung gingen die Grünen „mit nicht zu überbietender Rücksichtslosigkeit und Brutalität über die Existenzfragen der Menschen in Obrigheim hinweg“, erklärte der Abgeordnete Stoltz. In namentlicher Abstimmung lehnten die SPD– Abgeordneten zusammen mit CDU und FDP den Stillegungsantrag der Grünen ab. Auch gegen das Genehmigungsverfahren beim Reaktor Philippsburg II hat die Landesregierung keine Einwände. Umweltminister Weiser (CDU) erklärte, es stünden nur noch Prüfungen zur Materialermüdung aus, die aber Mitte des Jahres abgeschlossen sein würden.

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