ADALBERTSTRASSE : Mütter und Touristen
Berlin, Adalbertstraße. Läden kommen und gehen. Was merkwürdigerweise immer noch nicht für den O-Platz gilt, aber das ist eine andere Geschichte. Wir waren in der Adalbertstraße. Da steht eine Ruine mit edel ausgebautem Erdgeschoss, worin sich jetzt neben dem Telecafé eine neue Modeboutique befindet. Im Schatten des Problemhochhauses. Auf der anderen Straßenseite hat ein neuer Burgerladen aufgemacht und das Take-away-Café ersetzt.
Es ist ein Sommertag, spanische Touristen sind da, falten Stadtpläne, beraten mit großen Augen, schauen in ihre Taschen, ob sich etwas auf ihren Telefonen tut. Einer in einem perfekt sitzenden Anzug trägt einen Aktenordner in einer Klarsichttüte herum. Die Touristen haben Hunger und verteilen sich auf den Falafel- und den Burgerladen.
Die Wände im Falafelladen sind erdbraun gestrichen und mit ältlichen Fotos behängt. Schöne Architektur in unwirklichen Farben. Vergilbte Palmen. Erstarrte Häuser mit französischem Charme, die so vermutlich nicht mehr da stehen. Jedenfalls nicht ohne Einschusslöcher. Algier wird das sein oder Tunis oder vielleicht Beirut. Da muss man vorsichtig sein, das darf man nicht verwechseln. Es ist Beirut. Die Rahmen sind nicht bündig.
Eine Horde Kids kreuzt die Fahrbahn und stürmt den Laden. Was hier fehlt, ist eine Eisdiele. Die Kinder können Tanzschritte. Sie führen sie lachend vor, während sie auf ihre Bestellung warten, albern herum, die beiden Imbissbudenköche schauen belustigt zu, die spanischen Touristen sparen nicht mit Applaus. Zur Belohnung gibt es frittierte Stäbchenkartoffeln „mit scharf“.
Ein normaler Sommertag, auch wenn die Wolken mehr und mehr zuziehen. Die Mutter der Kids hat sich eine Linsensuppe bestellt und schlürft. In der Oranienstraße wirft ein Mann eine Bananenschale in ein Wettbüro.
RENÉ HAMANN