ABU GHRAIB: NEUE BILDER, ALTE RECHTFERTIGUNGEN, KEINE LERNERFOLGE : Die Ignoranz dauert bis heute an
Die jüngste Nachlieferung von Bildern aus Abu Ghraib verändert die Diskussion über das Verhalten der USA im Irak nicht mehr. Der Inhalt der Bilder war bekannt, den an den damaligen Untersuchungen beteiligten US-Senatoren waren sie damals auch gezeigt worden. Anders als die Videoausschnitte von britischen Soldaten, die gefangene Demonstranten misshandeln, haben die Bilder aus Abu Ghraib keinen neuen Erkenntniswert. Die US-Regierung wird weiterhin behaupten, die Verantwortlichen jener einzelnen Einheit seien verurteilt worden, und der Gerechtigkeit sei damit Genüge getan. Menschenrechtsgruppen werden weiterhin – und zu Recht! – darauf verweisen, dass es für die These von der einen durchgedrehten Einheit, die ohne Wissen, ja sogar gegen den Willen ihrer Vorgesetzten gehandelt habe, kaum glaubhafte Indizien gibt, dass insofern die wirklich Verantwortlichen keineswegs bestraft worden sind.
Neu an den Bildern ist also lediglich der Zeitpunkt, zu dem das weltweite Publikum sie zu sehen bekommt. Die militärische Situation im Irak scheint zu stagnieren, die Aufständischen verlieren nicht an Kraft, sondern sind im Gegenteil, einem soeben veröffentlichen Bericht der International Crisis Group zufolge, immer besser organisiert und politisch vernetzt. Die Perspektive eines friedlichen, demokratischen und geeinten Irak ist trotz erfolgreich abgehaltener Wahlen unendlich weit entfernt. Die Bilder erinnern heute erneut an einen Teil der Gründe, warum das so ist. Und sie erinnern auch daran, warum eigentlich so etwas wie die dänischen Mohammed-Karikaturen eine derartige Welle antiwestlichen Protests entfachen kann. Die US-Regierung hat zu keinem Zeitpunkt verstanden, dass der politische Schaden des Abu-Ghraib-Skandals nicht mit Abwiegelung und dem Verweis auf „Einzeltäter“ abzuwenden war, sondern ein glaubwürdiges Umdenken nötig gewesen wäre. Dass die Regierung bis zuletzt versucht hat, die Veröffentlichung der neuen Bilder zu verhindern, weil ihre Veröffentlichung „antiamerikanische Gefühle“ wecken könnte, zeigt: Die Ignoranz dauert bis heute an. BERND PICKERT