ABT. SILBERSTREIF AM HORIZONT: Es wächst zusammen...
■ West- und Ostkonjunktur beginnen sich anzugleichen
Berlin/Köln (ap/taz) — Der berühmte Silberstreif am ostdeutschen Horizont ist nach Auffassung von Wirtschaftsforschern breiter geworden. Nach dem jüngsten Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wachsen die Wirtschaften in Ost und West jetzt zusammen: Im Westen habe es im dritten Quartal 1991 Stagnation, im Osten ein bißchen Wachstum gegeben. Das gesamtdeutsche Bruttosozialprodukt sei real 1,5 Prozent höher gewesen als vor einem Jahr.
Für nächstes Jahr rechnen die Wissenschaftler der Forschungskonkurrenz vom unternehmernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) mit einem realen Wirtschaftswachstum von ebenfalls 1,5 Prozent. Wenn die Löhne „maßvoll“ erhöht würden und die Bundesregierung brav spare, dann bestehen laut IW gute Chancen, daß der zuletzt „ins Stocken geratene Aufschwung wieder an Fahrt gewinnen“ werde, sagten die Forscher gestern in Köln. In Ostdeutschland sei die düstere Talsohle durchschritten. Dort sei im nächsten Jahr mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von zehn bis 15 Prozent zu rechnen.
Über die Entwicklung im westlichen Teil des Landes schrieben die DIW-Forscher, die gesamtwirtschaftliche Leistung sei im Vergleich mit dem Wert des zweiten Quartals gesunken: „Arbeitstäglich und saisonbereinigt ging das reale Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,5 Prozent zurück.“ Abgenommen habe auch die Produktivität pro Arbeitnehmer und Stunde, was mit einem weiteren Anstieg der Erwerbstätigenzahl zusammenhänge, zu dem großteils ostdeutsche Pendler beigetragen hätten.
Eine Abwärtsbewegung bei Handel und Dienstleistungen führt das DIW mit darauf zurück, daß die ostdeutschen Verbraucher sich mehr und mehr in den neuen Bundesländern versorgten. Hinzu komme eine Kaufzurückhaltung in den alten Länder, die auf Einkommensverlusten seit der Einführung des Solidaritätszuschlags beruhe.
Arbeitslose dürften weiterhin Probleme haben, den Silberstreif zu sehen. Trotz der Erholung werde die Arbeitslosenzahl in Ostdeutschland auf 1,5 Millionen steigen, prognostiert das IW. In Westdeutschland werde zwar die Zahl der Erwerbstätigen nochmals um 235.000 zunehmen, dennoch aber auch die Arbeitslosenzahl wegen der Ostpendler von 1,7 auf 1,8 Millionen steigen. dri
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