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ABT. ALTERNATIVEN OSTAlle sollen zahlen

■ Alternativ-Professoren: Abgaben für 150 Milliarden DM

Bonn (dpa/taz) — Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Ostdeutschland sind nach Auffassung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik nicht mit wenigen Milliarden Mark an Steuererhöhungen oder Anleihefinanzierung zu bewältigen. Mindestens zehn Jahre lang müßte der Bund Jahr für Jahr 150 Milliarden Mark für den Aufbau Ostdeutschlands aufbringen, meinte der Bremer Professor Rudolf Hickel am Wochenende. Hickel und Reinhold Kowalski aus Berlin — ehemals Berater des DDR-Staatsrats — schlugen dazu vor, gleich fast alle in den vergangenen Wochen diskutierten Haushaltsfinanzierungs-Vorschläge umzusetzen — also gleichzeitig Ergänzungs-, Investitionshilfe- und Arbeitsmarktabgabe zu erheben sowie eine Zwangsanleihe (für die das Grundgesetz geändert werden müßte) aufzulegen.

Beide Professoren warnten vor Lohnverzicht und Sozialabbau und kritisierten vor dem Hintergrund der „schweren Krise“ in Ostdeutschland das „finanzpolitische Chaos“ in Bonn und die „zynische“ Geldpolitik der Bundesbank. Diese konterkariere die gewollte Kreditfinanzierung des Aufbaus in den neuen Ländern mit einer zu straffen Zinspolitik.

Die Professorengruppe, die sich als Alternative zur herrschenden Lehre versteht, schlägt folgendes Finanzierungskonzept für ihr gewaltiges Ostpaket vor:

— Beamte, Selbständige und Besserverdienende sollten eine 2,15prozentige Arbeitsmarktabgabe zahlen; das brächte zehn Milliarden Mark Mehreinnahmen für den Bund.

— Wer mehr als 50.000 Mark im Jahr verdient (Verheiratete 100.000) soll eine zehnprozentige Ergänzungsabgabe zahlen müssen; das brächte 20 Milliarden Mark.

— Westdeutsche UnternehmerInnen, die nicht in den neuen Ländern investieren, sollen eine 1,5prozentige Investitionshilfeabgabe zahlen; macht ebenfalls 20 Milliarden DM.

— Weil so erst ein Drittel der jährlichen 150 Milliarden Mark zusammengekommen ist, sollte nach Meinung der alternativen Wirtschaftspolitik-Professoren eine Zwangsanleihe eingeführt werden. So sollen jenseits einer bestimmten Freigrenze die Geldvermögen der privaten Haushalte, der produzierenden Wirtschaft, des Handels, der Banken, Versicherungen und Dienstleistungsunternehmen zum Aufschwung Ost beitragen. Schließlich sei die „Geldvermögensbildung enorm gestiegen“, allein bei den privaten Haushalten 1991 um 238 Milliarden DM auf 3,4 Billionen DM. Eine einprozentige Anleihe nur auf dieses Geldvermögen brächte folglich 34 Milliarden DM. Hinzu kämen die Geldvermögen der übrigen Gruppen, wobei allein der Zuwachs von 1990 auf 1991 bei den westdeutschen Produktionsunternehmen 140 Milliarden DM ausmachte. BürgerInnen und Unternehmen würden bei dieser Addition jährlich zusätzlich mit weit mehr als 84 Milliarden DM belastet. Wie man diese BürgerInnen überzeugt, trotz dieser Mehrabgaben ihr Geld in Deutschland zu lassen, sagten die Professoren allerdings nicht.

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