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■ A U S D E N R A T H Ä U S E R NDie Schwarz-Rot-Grüne Koalition

Die Schwarz-Rot-Grüne Koalition

Seit dem Ende der rot-grünen Koalition vor 16 Monaten ist die AL keine Regierungspartei mehr. Aber manchmal läßt sie sich das einfach nicht anmerken. In der Parlamentssitzung am Donnerstag spielten die Alternativen, die im Abgeordnetenhaus in der Fraktion Bündnis 90/Grüne aufgegangen sind, gleich zweimal eine höchst staatstragende Rolle.

Den Status des Schmuddelkinds haben sie an die PDS abgegeben. Die blieb außen vor, während sich Grüne und Bürgerbewegte im Verein mit CDU, SPD und FDP an der Vier- Parteien-Koalition beteiligten, die die Besetzung des neuen Verfassungsgerichts unter sich aus machte. Dabei waren es ausgerechnet die SED-Nachfolger, die den vielleicht höchstkarätigsten Bewerber präsentieren konnten. Immerhin war ihr Kandidat Bernhard Graefrath einige Jahre lang Vorsitzender der UNO-Menschenrechtskommission.

Den Sprung in das Verfassungsgericht schafften die Grünen, weil die SPD ihre Kandidatin huckepack nahm. Kurz vor der Richterwahl hatten — umgekehrt — die Grünen der SPD aus der Patsche geholfen und die Große Koalition vor einer ernsten Blamage bewahrt, als das Parlament über seine eigene Verkleinerung abstimmte. Hätten die 19 Stimmen von Bündnis 90 und AL gefehlt, hätte der Koalitionsantrag nicht die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der 241 gewählten Abgeordneten erreicht. CDU und SPD verfügen zwar — in der Theorie — über eine Zwei- Drittel-Mehrheit. In der Praxis sah es am Donnerstag ganz anders aus.

Manche Abgeordnete der Koalition stimmten offensichtlich mit »Nein«, einige entzogen sich der Abstimmung durch Abwesenheit. Wer schafft schon gerne den eigenen Arbeitsplatz ab?

»Schlimm« sei diese fehlende Disziplin, erregte sich SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt. Er war kurz vor der entscheidenden Stimmabgabe persönlich durch die Flure und Säle des Rathauses getobt, um einige fehlenden Abgeordneten aufzuspüren, darunter den umweltpolitische Sprecher Wolfgang Behrendt und die Charlottenburger Parteilinke Petra Merkel. Für die SPD, schimpfte Staffelt, wäre eine Niederlage besonders blamabel gewesen, hatte sie doch die Parlamentsverkleinerung viel energischer betrieben als die CDU. Der SPD-Fraktionschef war seiner grünen Kollegin Renate Künast deshalb regelrecht »dankbar«, daß Bündnis 90 und Grüne über ihren eigenen Schatten sprangen und dem Koalitionsantrag zustimmten — obwohl sie eigentlich eine noch deutlichere Reduzierung der Abgeordnetenzahl verlangt hatten. FDP und PDS blieben bei ihrem Nein. Den Liberalen ging die Parlamentsverkleinerung zu weit, den Sozialisten erschien sie als bloße Augenwischerei. Die früher einmal fundamental oppositionellen Alternativen dagegen verzichteten auf die Neinsagerei aus Prinzip — und bewährten sich als Regierungspartei im Wartestand.Hans-Martin Tillack

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