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6.5 Mio Menschen unterbezahltNiedriglohnsektor wächst

2,2 Millionen Beschäftigte arbeiten für weniger als sechs Euro die Stunde. Nun streiten Sozial-Experten, ob der Billiglohnsektor wächst.

Reinigungskräfte müssen häufig um gerechte Bezahlung kämpfen. Bild: dpa

Die Zahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist 2007 um 350.000 Personen gestiegen. Zu diesen Berechnungen kommt das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Gleichzeitig gebe es im Niedriglohnsektor immer mehr Leute, die zu ganz besonders geringen Entgelten tätig sind, heißt es in der neuen Studie. Ob sich der Niedriglohnsektor in Deutschland tatsächlich ausweitet oder nicht - darüber ist jetzt ein Streit unter führenden Forschungsinstituten entbrannt.

Nach den vom IAQ vorgestellten Werten - neuere Zahlen gibt es nicht - arbeiten in Deutschland 6,5 Millionen Menschen für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle. Diese liegt bei zwei Dritteln des mittleren Lohnes und betrug im Jahre 2007 in Westdeutschland 9,62 Euro und in Ostdeutschland 7,18 Euro brutto pro Stunde. Leute mit Berufsausbildung oder Studium stellen inzwischen fast 80 Prozent der Niedriglöhner.

Trotz der deutlichen Zunahme der Betroffenen in absoluten Zahlen ist der prozentuale Anteil der Niedriglöhner an allen ArbeitnehmerInnen gegenüber 2006 nur geringfügig gestiegen, räumen die IAQ-Arbeitsmarktexperten Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf ein. Dies liege daran, dass auch die Beschäftigung insgesamt zugenommen habe. Genau diese stagnierenden Prozentzahlen aber nahm das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor einigen Monaten zum Anlass, von einem Stillstand im Niedriglohnsektor zu sprechen.

Durch Berechnungen, die sich ebenfalls auf 2007 und 2006 beziehen, kam das DIW überdies zu dem Schluss, der Trend zur zunehmenden Lohnungleichheit sei "gebrochen". Das DIW hatte in seinen Berechnungen allerdings die Lohnspreizung aller abhängig Beschäftigten, also auch der Hochverdiener, einbezogen.

Von einer "Trendumkehr" zu sprechen sei aber "nicht angemessen", rügt nun das IAQ. Denn innerhalb des Niedriglohnsektors gebe es nochmal eine Entwicklung hin zu sinkenden Entgelten. Der durchschnittliche Lohn in diesem Bereich sei in den vergangenen Jahren inflationsbereinigt gesunken. Fast 2,2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland zu einem Bruttostundenlohn von unter 6 Euro. "In Deutschland ist das Lohnspektrum in einem Ausmaß nach unten ausgefranst, das in anderen Ländern aufgrund von Mindestlöhnen nicht möglich wäre", bemängelt Claudia Weinkopf vom IAQ.

Die unterschiedlichen Einschätzungen der Institute könnten auch mit der Debatte um Mindestlöhne zu tun haben. Die IAQ-Forscher stehen staatlichen Mindestlöhnen wohlwollend gegenüber, hingegen hat das DIW mehrfach auf drohende Beschäftigungsverluste durch eine staatliche Lohnuntergrenze hingewiesen.

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12 Kommentare

 / 
  • MM
    Marion Manneck

    Die Statistik im Niedrigst- und Niedriglohnsektor ist doch überprüfbar. Die Institute sollten sich mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen und sich die Hartz-IV-Aufstockerzahlen geben lassen. Ebenso aufschlussreich wäre ein Kontakt zu den Wohngeldämtern.

    Sollte doch möglich sein, wenn man denn will.

    War es nicht so, dass im Jahr 2000 die EU-Regierungschefs in Lissabon die Absenkung der Löhne und Gehälter beschlossen?

  • TH
    Tom Häfele

    Unter anderem arbeite ich in Osnabrück für Transfergesellschaften und Fortbildungsunternehmen mit Menschen, die keinen Job haben. Meine Hauptaufgabe ist die Beschaffung von Arbeit für diese Menschen.

    Dabei ist festzustellen, dass es Arbeit für gewerbliche Arbeitnehmer nur noch bei Zeitrabeistunternehmen gibt, die Stundenlöhne zwischen 7,22 Euro und 7,50 Euro zahlen. Gemeint ist BRUTTO!!!

    Die einfacheren Job´s´im kaufmännischen Bereich werden ebenfalls über Zeitarbiet vergeben, es gibt aber ca.o,50 Euro mehr pro Stunde. Wer in diesen Prekariatsjobs einmal sich beschwert, oder wer krank wird, der fliegt raus. Einige große Unternehmen haben dann mittlerweile eigene Zeitarbeitsunternehmen gegründet und drücken so die Löhne der Belegschaften.

    In Osnabrück liegt die Quote derjenigen, die unterhalb des Existenzminnimums liegen bei ca. 17%. Das Ergebnis ist: Die Stadt stirbt ganz, ganz langsam ab.

    So sieht eben radikalmarkt Politik aus. Cool finde ich den Satz eines Arbeitgebers: "Die Grenzprofitabilität Ihrer Arbeitskraft ist halt gesunken", Herr XYZ und der feine Herr entschwebte mit seinem luftgefederten VW-Phaeton...

  • Z
    Zoe

    eine freundin von mir arbeitet als Aushilfe in einem Supermarkt. Als sie dort vor ca 4 Jahren anfing erhielten Aushilfen noch ca 7,30 EUR/Std. im 400 EUR-Job. Mittlerweile erhalten die neu eingestellten Aushilfen nur noch 5,20 EUR/Std. Das wird auch anderswo derart sein. Eine Masse an Altersarmut wird auf uns zu rollen und Frauen sind zunehmend gezwungen aus wirtschaftlichen Gründen wieder zu heiraten, auch wenn sich das blöd anhört, aber wer nicht mit 70 nach Pfandflaschen in Müllcontainern rumwühlen möchte wird dringend darauf angewiesen sein, da die eigene erwirtschaftete Rente nicht mehr über den Sozialhilfesatz hinauskommt. dieser aber ist den Launen der bald jahrzehntelang regierenden schwarz-gelben Regierung der Menschen- und Sozialstaatsverächter ausgeliefert und wird gnadenlos gekürzt werden. Die Verarmung wird munter weitergehen. Sie ist ja politisch erwünscht!

  • JK
    Juergen K.

    Schade, dass die

    2 000 Milliarden Euro (also 2 000 000 000 000),

    die in irgendwelchen Banken rumliegen

    nicht konsumieren.

     

    Wenn jeder dieser Euro auch nur EINEN CENT ausgeben würde, hätte es den 4 - fachen wirtschaftlichen Effekt der Abwrackprämie.

     

    Gäbe er 2 oder 3 Cent aus, könnte das Wirtschaftswachstum vielleicht schon gar nicht mehr beherrscht werden.

     

    Auch wenn das kaum so viel ist, wie sich gegen Arbeitslosigkeit zu versichern.

     

    Billiger ist!

     

    Aber diese Euro haben ja vielleicht nur den geilen Geiz im Blut und legen keinen Wert auf eine preiswertere Arbeitslosenvericherung;

     

    eine Selffullfilling Prophecy.

     

    Nicht einmal die Werbesprüche der Banken fruchten.

    "Lassen Sie ihr Geld arbeiten".

     

    Lassen Sie es doch einfach arbeiten.

    Weisen Sie ihre Euro an, einfach mal 1, 2 oder 3 Cent auszugeben.

     

    Ich bin mir sicher, so ein Euro lässt sich da gar nicht lumpen.

     

    Wenn sie viele derer managen, denken Sie sich doch mal was Grosses aus. Oder öfter mal was Mittleres oder Kleineres.

     

    Wenn Sie derer wenige haben, lassen Sie doch mal ein paar Cent oder Euro auf Strasse fallen und erfreuen sich am Gefunden werden.

     

    Wenn Sie wollen, gehen Sie zum Staat und lassen ihn das übernehmen.

     

    Aber vielleicht wollen diese Euro auch nur einen neuen Weltrekord aufstellen und sich so vermehren, dass

     

    auf jedem Stern in unserer Galaxie,

    der Milchstrasse, 1 Euro entfallen.

     

    Heute entfallen schon 20 Cent auf jeden dieser Sterne. Der Rekord ist in greifbarer Nähe.

     

    Deutschland ist eben ein innovativer Standort.

     

    Trotzdem,

    vielleicht ist Weniger Mehr.

    Und Langsamer ist Schneller.

     

    Und 3 Cent gehen immer!

  • N
    Nadi

    Diesen Bericht hätte Egon Bahr vielleicht mal lesen sollen, jedenfalls beinhaltet er auch die Ursache für den stetigen Abstieg der SPD. Die Deutschen werden ärmer, verdienen weniger und fallen durch alle Lohnniveaus immer tiefer nach Unten.

    Wenn 6 EURO-Stundenlohn an Absolventen von Universitäten ausgezahlt werden, sagt das einiges über den Zustand unseres Landes aus.

    Bliebe nur noch die Frage, wie sehr sich die Hartz-Gesetze auf diesen Lohn-Abstieg (oder Armuts-Anstieg) auswirken?

  • KK
    Klaus Keller

    laut einer falschmeldung wurde das DIW in den USA (wo der mindestohn bei ca6,5$liegt) auf die Liste der terrorverdächtigen Organisationen aufgenommen: richtig ist der begriff vedächtig ist falsch.

    klaus keller hanau

  • MM
    Marion Manneck

    Die Statistik im Niedrigst- und Niedriglohnsektor ist doch überprüfbar. Die Institute sollten sich mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen und sich die Hartz-IV-Aufstockerzahlen geben lassen. Ebenso aufschlussreich wäre ein Kontakt zu den Wohngeldämtern.

    Sollte doch möglich sein, wenn man denn will.

    War es nicht so, dass im Jahr 2000 die EU-Regierungschefs in Lissabon die Absenkung der Löhne und Gehälter beschlossen?

  • TH
    Tom Häfele

    Unter anderem arbeite ich in Osnabrück für Transfergesellschaften und Fortbildungsunternehmen mit Menschen, die keinen Job haben. Meine Hauptaufgabe ist die Beschaffung von Arbeit für diese Menschen.

    Dabei ist festzustellen, dass es Arbeit für gewerbliche Arbeitnehmer nur noch bei Zeitrabeistunternehmen gibt, die Stundenlöhne zwischen 7,22 Euro und 7,50 Euro zahlen. Gemeint ist BRUTTO!!!

    Die einfacheren Job´s´im kaufmännischen Bereich werden ebenfalls über Zeitarbiet vergeben, es gibt aber ca.o,50 Euro mehr pro Stunde. Wer in diesen Prekariatsjobs einmal sich beschwert, oder wer krank wird, der fliegt raus. Einige große Unternehmen haben dann mittlerweile eigene Zeitarbeitsunternehmen gegründet und drücken so die Löhne der Belegschaften.

    In Osnabrück liegt die Quote derjenigen, die unterhalb des Existenzminnimums liegen bei ca. 17%. Das Ergebnis ist: Die Stadt stirbt ganz, ganz langsam ab.

    So sieht eben radikalmarkt Politik aus. Cool finde ich den Satz eines Arbeitgebers: "Die Grenzprofitabilität Ihrer Arbeitskraft ist halt gesunken", Herr XYZ und der feine Herr entschwebte mit seinem luftgefederten VW-Phaeton...

  • Z
    Zoe

    eine freundin von mir arbeitet als Aushilfe in einem Supermarkt. Als sie dort vor ca 4 Jahren anfing erhielten Aushilfen noch ca 7,30 EUR/Std. im 400 EUR-Job. Mittlerweile erhalten die neu eingestellten Aushilfen nur noch 5,20 EUR/Std. Das wird auch anderswo derart sein. Eine Masse an Altersarmut wird auf uns zu rollen und Frauen sind zunehmend gezwungen aus wirtschaftlichen Gründen wieder zu heiraten, auch wenn sich das blöd anhört, aber wer nicht mit 70 nach Pfandflaschen in Müllcontainern rumwühlen möchte wird dringend darauf angewiesen sein, da die eigene erwirtschaftete Rente nicht mehr über den Sozialhilfesatz hinauskommt. dieser aber ist den Launen der bald jahrzehntelang regierenden schwarz-gelben Regierung der Menschen- und Sozialstaatsverächter ausgeliefert und wird gnadenlos gekürzt werden. Die Verarmung wird munter weitergehen. Sie ist ja politisch erwünscht!

  • JK
    Juergen K.

    Schade, dass die

    2 000 Milliarden Euro (also 2 000 000 000 000),

    die in irgendwelchen Banken rumliegen

    nicht konsumieren.

     

    Wenn jeder dieser Euro auch nur EINEN CENT ausgeben würde, hätte es den 4 - fachen wirtschaftlichen Effekt der Abwrackprämie.

     

    Gäbe er 2 oder 3 Cent aus, könnte das Wirtschaftswachstum vielleicht schon gar nicht mehr beherrscht werden.

     

    Auch wenn das kaum so viel ist, wie sich gegen Arbeitslosigkeit zu versichern.

     

    Billiger ist!

     

    Aber diese Euro haben ja vielleicht nur den geilen Geiz im Blut und legen keinen Wert auf eine preiswertere Arbeitslosenvericherung;

     

    eine Selffullfilling Prophecy.

     

    Nicht einmal die Werbesprüche der Banken fruchten.

    "Lassen Sie ihr Geld arbeiten".

     

    Lassen Sie es doch einfach arbeiten.

    Weisen Sie ihre Euro an, einfach mal 1, 2 oder 3 Cent auszugeben.

     

    Ich bin mir sicher, so ein Euro lässt sich da gar nicht lumpen.

     

    Wenn sie viele derer managen, denken Sie sich doch mal was Grosses aus. Oder öfter mal was Mittleres oder Kleineres.

     

    Wenn Sie derer wenige haben, lassen Sie doch mal ein paar Cent oder Euro auf Strasse fallen und erfreuen sich am Gefunden werden.

     

    Wenn Sie wollen, gehen Sie zum Staat und lassen ihn das übernehmen.

     

    Aber vielleicht wollen diese Euro auch nur einen neuen Weltrekord aufstellen und sich so vermehren, dass

     

    auf jedem Stern in unserer Galaxie,

    der Milchstrasse, 1 Euro entfallen.

     

    Heute entfallen schon 20 Cent auf jeden dieser Sterne. Der Rekord ist in greifbarer Nähe.

     

    Deutschland ist eben ein innovativer Standort.

     

    Trotzdem,

    vielleicht ist Weniger Mehr.

    Und Langsamer ist Schneller.

     

    Und 3 Cent gehen immer!

  • N
    Nadi

    Diesen Bericht hätte Egon Bahr vielleicht mal lesen sollen, jedenfalls beinhaltet er auch die Ursache für den stetigen Abstieg der SPD. Die Deutschen werden ärmer, verdienen weniger und fallen durch alle Lohnniveaus immer tiefer nach Unten.

    Wenn 6 EURO-Stundenlohn an Absolventen von Universitäten ausgezahlt werden, sagt das einiges über den Zustand unseres Landes aus.

    Bliebe nur noch die Frage, wie sehr sich die Hartz-Gesetze auf diesen Lohn-Abstieg (oder Armuts-Anstieg) auswirken?

  • KK
    Klaus Keller

    laut einer falschmeldung wurde das DIW in den USA (wo der mindestohn bei ca6,5$liegt) auf die Liste der terrorverdächtigen Organisationen aufgenommen: richtig ist der begriff vedächtig ist falsch.

    klaus keller hanau