: „50.000 Tote wären schrecklich genug“
■ Umweltbehörde rückt Gutachten über Folgen eines GAU im AKW Krümmel raus
Früher als geplant und offenbar auf den Druck verschiedener Medien (Freitag NDR, Sonnabend taz, Dienstag Morgenpost) veröffentlichte die Umwelbehörde gestern die Zusammenfassung eines Gutachtens über die möglichen Folgen einer Kernschmelze im Atomkraftwerk Krümmel. Die zögerliche Haltung von Senator Fritz Vahrenholt wird angesichts der Ergebnisse des behördenintern so genannten „Leichzählszenarios“ klar, auch wenn sie Fachleute nicht überraschen: Bis zu 106.000 HamburgerInnen würden im Verlauf einiger Jahrzehnte nach Durchzug der radioaktiven Wolke an Krebserkrankungen sterben.
Die Gutachter des Darmstädter Öko-Instituts erhielten bereits 1992 den Auftrag, in zwei exemplarischen Szenarien die Auswirkungen verschiedener Unfälle – einmal mit, einmal ohne Kernschmelze – zu untersuchen. Außerdem beschäftigt sich die Expertise mit der Wirksamkeit von Katastrophenschutzmaßnahmen für die angenommenen Unfallszenarien. Sie macht aber weder Aussagen über die Sicherheit des Krümmeler Atommeilers noch über die Wahrscheinlichkeit solcher Unfälle.
Ergebnis: Im Falle eines GAU (Größter Anzunehmender Unfall) könnten „die gesundheitlichen Folgen für die betroffene Bevölkerung um 50 Prozent und mehr reduziert“ werden. Hieße: „Nur“ 50.000 Menschen würden früher oder später sterben. „Schrecklich genug“, kommentiert Senator Vahrenholt diese Zahl. Die Schlußfolgerung der Umweltbehörde: „Jeder sich bietende Schritt in Richtung Ausstieg aus der Kernenergie muß getan werden.“
Zugleich macht das Gutachten klar: Beherrschbar wäre die Katastrophe nicht, obwohl kühle Sätze über die „Einnahme von Jodtabletten“, „koordinierte Evakuierung“ und „Aufenthalt in geschlossenen Räumen“ dies suggerieren. Gutachter wie Umweltbehörde wissen, daß anderthalb Millionen Menschen nicht ruhig in ihren Häusern zu halten wären, wenn über ihnen die tödliche Wolke wabert. Auch sie wissen, daß bei der Evakuierung von über einer Million Menschen das Chaos unvermeidlich wäre. Und über die Kosequenzen der Tatsache, daß die Hälfte des Hamburger Stadtgebietes 50 Jahre lang nicht nutzbar wäre, schweigen sich die Gutachter vorsichtshalber aus.
Die nicht veröffentlichten Detailergebnisse der Studie will die Umweltbehörde jetzt mit Fachleuten aus anderen Behörden, die mit Katastrophenschutz befaßt sind, beraten. Um sich „während der unumgänglichen Restnutzungsdauer der Kernenergie auf alle Möglichkeiten des Schutzes der Bevölkerung vorzubereiten. „Wo immer“, so die Behörde, dies „praktikabel ist“. Claudia Hönck
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