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5 dinge, die wir von micha brumlik gelernt haben

1 Es lohnt, mit Andersdenkenden zu reden

Es gibt auf der Erde mehr als 8 Milliarden Menschen. Wahrscheinlich hat sich aber nur einer mit Omar Barghouti, dem Gründer der Israel-Boykott Bewegung BDS, und mit Stephan Grigat, dem Mastermind der israeltreuen Antideutschen, an einen Tisch gesetzt. Und dann, im alten taz-Haus, mit beiden sachlich über den Nahostkonflikt, Israel und die Besatzung diskutiert. Micha Brumlik, universell gebildeter Intellektueller, Jude, Deutscher, taz-Autor, ist am 10. November mit 78 Jahren gestorben.

2 … und sie aussprechen zu lassen

Einen Tag zuvor hat der US-Philosoph Jason Stanley in einer Frankfurter Synagoge über die Novemberpogrome 1938 und seine Familiengeschichte gesprochen. Und sich kritisch zur Meinungsfreiheit in Sachen Israel geäußert. Er konnte seine Rede nicht zu Ende halten. Wir können nur vermuten, was Brumlik zu diesem Vorfall gesagt hätte.

3 Denken geht am besten dialektisch

Wenn er den Zionismus kritisierte, argumentierte Brumlik dialektisch. Zwar verblasse die Idee des Nationalstaats – gerade deshalb müsse alles dafür getan werden, dass sie für Israelis und Palästinenser wirklich bleibt und wird. 2008 schlug er sogar vor, über eine Aufnahme Israels und Palästinas in die EU nachzudenken. Die Hamas charakterisierte er als „explizit eliminatorisch-judenfeindlich“. Utopie auf Basis präziser Analyse: Daran hapert es heute oft.

4 Die Geschichte muss offen bleiben

Manche halten den Kommunismus für die noch zu erkämpfende wahre Demokratie. Brumlik hatte den Verdacht, dass der Stalinismus schon im deterministischen Geschichtsbild von Marx angelegt war. Wer kann sich noch auf eine universalistische Idee des guten Lebens berufen, wenn die Relativität der Bedürfnisse als ausgemacht gilt? Die Antwort, so Brumlik, sei heute dieselbe wie vor 120 Jahren: Sozialdemokratie im Sinne Eduard Bernsteins.

5 Freundlichkeit ist politisch

Micha Brumlik war freundlich. Und Freundlichkeit, so zeigte er es, ist mehr als eine persönliche Eigenschaft. Sie ist eine politische Tugend, eine Haltung der Weltzugewandtheit. (gut, sr)

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