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5 dinge, die wir gelernt haben

1 Die taz bleibt

Diese Ausgabe ist das Ende vom Anfang. Der Anfang, das waren die vergangenen drei Jahre, in denen die wochentaz parallel zur gedruckten täglichen Ausgabe der taz erschien. Wir wussten schon damals, dass diese Phase enden wird. Jetzt, da die taz von Montag bis Freitag nur noch digital erscheint, beginnt an vielen Kiosken für die wochentaz etwas Neues. Sie liegt da, neben der Zeit und dem Freitag, und niemand räumt sie am Montag versehentlich ins Altpapier. Denn die wochentaz als Printzeitung bleibt. Nicht aus Nostalgie, sondern aus Überzeugung.

2 Die Welt ist neu

Annalena Baerbock sitzt auf einer Betonmauer auf dem Dach des Auswärtigen Amtes. Ihre Beine baumeln, hinter ihr ist der Himmel blau. „Wann kleben Sie sich auf die Straße, Frau Baerbock?“, fragt die Titelzeile, die über diesem Foto stand. Die erste wochentaz, die am 12. November 2022 an den Kiosken und in den Briefkästen lag, fühlt sich drei Jahre später historisch an. Sie wurde in einer Zeit gemacht, in der klar zu sein schien, dass man von Po­li­ti­ke­r*in­nen Klimaaktivismus erwarten kann – und sich dabei nur die Frage stellt, in welcher Form. „Wie radikal wird die Zukunft?“, fragten wir auf der Seite 1 und darin steckte auch eine Spur Hoffnung. Heute klingt die gleiche Frage nur noch nach Angst. Aber gerade in einer Öffentlichkeit, die sich ständig selbst überholt, wird das gedruckte Nachdenken zum Akt der Verlangsamung – und damit zur Form von Widerstand.

3 Die taz war nie fertig

In einer der Konferenzen dieser Woche wurde die erste Ausgabe der taz hochgehalten. Sie zeigt einen Clown, der einen Pflasterstein mit der Aufschrift „taz“ wirft. „Wir wollten eine Selbstdarstellung schreiben“, steht darin. „Aber die Darstellung blieb stets nichtssagend allgemein, oder es kamen die verschiedenen Ansätze und Wünsche an die taz heraus, die nicht immer von allen von uns geteilt wurden.“ Kennen wir. Ist aber auch nicht schlimm. Die taz war nie fertig – und das ist ihr Prinzip. Seit 1978 steht sie für das Experiment, für den Versuch, anders zu berichten, anders zu denken, anders zu wirtschaften. Natürlich auch als Podcast und auf Social Media. Diese Unruhe ist kein Fehler, sondern ein Motor.

4 Manches wird besser

In dieser ersten taz-Ausgabe, von der wir nur noch ein einziges Exemplar haben, schreiben auf der dritten Seite die Frauen unter den Grün­de­r*in­nen vom Scheitern an ihren feministischen Ansprüchen. „So sind bis heute in den Ressorts Internationales und Innenpolitik keine Frauen vertreten, es klafft also in zwei sehr wichtigen Bereichen der taz für uns ein riesiges Loch, und die Unterstützung der Männer ist leider nicht der Rede wert.“ Wenn in dieser Woche drei Chefinnen vom Dienst gemeinsam mit der Chefredakteurin die Themen der wochentaz planen, dann können wir sagen: Zumindest hier sind wir weiter. Der Frauenmachtanteil liegt in der taz laut Zählung der Organisation Pro Quote bei 64,5 Prozent.

5 Veränderungsmomente sind Wir-Momente

„Ich möchte hier nicht die sentimentale Stimmung zerstören“, sagt eine Kollegin, als die finale Freitagsausgabe der taz fast im Druck ist und Chefredakteurin Ulrike Winkelmann mal kurz ergriffen schweigt, wie es sonst nicht ihre Art ist. In einer allerletzten Printtitelrunde wird diskutiert: Kann das Wort „Seitanwende“ auf die Seite 1, wenn wir zum Anlass der sogenannten Seitenwende das Küchenteam der taz vorn auf der Zeitung zeigen? Auf eine historische Titelseite muss ein Du oder ein Wir, findet eine Kollegin. Die Zeile wurde dann: „Halt dich an deiner Zeitung fest“. Als wochentaz-Leser*innen können Sie das weiterhin jede Woche tun.

Luise Strothmann und Matthias Kalle

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