40 Jahre Geldautomat: Das Loch in der Wand
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband bejubelt in Berlin den 40. Geburtstag des Geldautomaten und freut sich über wenig Kundenkontakt mit vielen Möglichkeiten. Ein Ortstermin.
Bis in das Gebäude des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) in Berlin-Mitte ist die Finanzkrise nicht vorgedrungen. Ein opulentes Buffet wurde in der Eingangshalle aufgebaut. Kellner mit unbefleckten, weißen Hemden stehen neben Tischen mit unbefleckten, weißen Decken. In den verglasten Konferenzräumen tummeln sich Leute. Alles scheint, als würde mehr gefeiert als nur das 40. Jubiläum einer Maschine.
Heute gibt es 55.000 Geldautomaten in ganz Deutschland. Ihr aller Urahn wurde am 27. Mai 1968 von der Kreissparkasse in Tübingen aufgestellt. Zunächst konnten nur 1.000 ausgewählte Kunden das neuartige Gerät nutzen. Ein spezieller Schlüssel, ein gelochter Plastikausweis und Auszahlungsbelege waren notwendig, um auch außerhalb der Öffnungszeiten an sein Vermögen zu gelangen. Durchschnittlich gerade einmal fünf Scheine gab der Automaten damals am Tag heraus. Massentauglich wurde die Monetenmaschine aber erst 13 Jahre später - mit der Einführung der Magnetstreifenkarte. Durch das vereinfachte System stieg die Zahl der Kunden, die den Automaten dem Menschen hinter dem Schalter vorzogen, rasant an - zur Freude der Bankangestellten, vor allem in diesen Tagen.
Nach einem kurzen geschichtlichen Abriss nämlich erfahren die Teilnehmer der Veranstaltung, was der DSGV tatsächlich feiert. Nicht die technische Errungenschaft, sondern der Schutz des dank Rezession unbeliebten Mitarbeiters stehen hier im Vordergrund. "Immer mehr Geldautomaten werden zu Kassenautomaten, bei denen unsere Kunden auch Geld einzahlen können", erklärt der Geschäftsführer Bernd M. Fieseler. Neben Abhebungen übernehmen die Geräte damit ein weiteres Geschäft, das bisher nur am Schalter ausgeführt werden konnte. In manchen Gegenden ist nicht einmal mehr eine Sparkassen-Filiale nötig, um an das eigene Geld zu kommen - oder es loszuwerden. "Es gibt ein Abkommen mit der Rewe-Gruppe. Kunden können ihren Einkauf mit der Karte bezahlen. Wenn sie dann zusätzliches Geld brauchen, wird das Konto höher belastet und die Verkäuferinnen geben Bargeld aus", berichtet Wolfgang Adamiok, Direktor der Abteilung für Zahlungsverkehr.
In den Zukunftsvisionen der beiden Männer soll der Geldautomat demnächst aber nicht nur Tätigkeiten des Bankers ausführen, sondern auch Aufgaben von Telefonanbietern und Ärzten übernehmen. "Die Sparkassen werden das Angebot zum Aufladen von Prepaid-Handys am Geldautomaten ausdehnen", sagt Fieseler in seiner Rede. Außerdem stehe der DSGV in Verhandlungen mit den Krankenversicherungen. "Die Kunden könnten bald auch ihre Gesundheitskarte an unseren Automaten auslesen."
Bedenken, dass die Sparkassen-Finanzgruppe so Informationen über Krankheiten ihrer Kunden sammeln könnte, liegen nahe. Werden künftig Kreditanträge zurückgewiesen, weil der Kunde an einem schweren Herzfehler leidet? Bieten Banken jenen Patienten, denen eine Zahnoperation bevorsteht, bald Darlehen an? Fieseler weist solche Bedenken entschieden zurück. "Wir gewähren den Schutz aller Daten", versichert er. "Sie können am Automaten nur eingesehen werden. Wir haben nicht vor, irgendetwas zu speichern."
Außer vielleicht die Fingerabdrücke williger Kunden. Bereits 2009 soll in Berlin und Köln ein Pilotprojekt starten, bei dem Kunden bei Bankgeschäften am Automaten nicht nur ihre PIN eingeben, sondern sich auch anhand von biometrischen Merkmalen identifizieren müssen. "Diese Daten müssen wir natürlich aufbewahren." In Serie sollen die Automaten mit Identitätsüberprüfung aber nur gehen, wenn die Kunden das wirklich wollen. "Das Verfahren muss auch akzeptiert werden", sagt Fieseler.
Gerade aber leidet das Vertrauen der Kunden in die Menschen hinter dem Untier Finanzwelt - auf das erlösende Rattern des Geldes hinter der silbrig glänzenden Klappe warteten sie trotzdem, oder gerade deswegen. Mehr als 1,3 Milliarden Mal wurde von Sparkassen-Automaten im vergangenen Jahr Geld abgehoben oder eingezahlt. Obwohl sich die Berichte über PIN-Diebstahl und EC-Karten-Manipulationen häuften.
Die Zahlen werden nun vermutlich noch ansteigen - zumal die Maschinen, im Gegensatz zu ihren humanen Kollegen, unbestechlich sind. Denn wenn der Sparstrumpf leer ist, hilft auch kein Drohen oder Locken mehr, der Automat bleibt hart. Aber freundlich. Und weiß immer einen Rat. "Wenn große Summen eingezahlt werden, dann erscheint ein Vorschlag, wie das Geld möglichst effektiv angelegt werden kann", sagt Fieseler. Für die Einlösung dieses Angebots muss der Kunde dann allerdings doch wieder zum Mann oder zur Frau hinter dem Banktresen. Schade. Wahrscheinlich für beide Seiten.
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