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3sat-Themenwoche „SehnSucht“Ein Schuss im Elternhaus

In „Höllentrips“ erzählt 3sat die Geschichte des drogenabhängigen „Spiegel“-Journalisten Jörg Böckem. Es geht um die, die trotz ihrer Sucht in der Gesellschaft bleiben.

Hat den Ausstieg geschafft: Jörg Böckem, heute 45. Bild: 3sat

Bei Arte gibt es die Themenabende, der andere länderübergreifende Kultursender zelebriert ganze Themenwochen. Seit Donnerstagabend sendet 3sat insgesamt 22 Filme zum Thema „SehnSucht“.

Es geht nicht nur um Wunschvorstellungen, sondern auch darum, wie aus einer Sehnsucht eine Sucht werden kann, wie das zusammenhängt. Es werden Spielfilme gezeigt von Max Ophüls und Aki Kaurismäki, Dokus über Computerspielsucht, Kaufsucht, Alkoholsucht – „Der Trinker“ mit Harald Juhnke – und, natürlich: Drogensucht.

Zum Beispiel „Höllentrips“ am Sonntagabend. Die Filmemacherin Wilma Pradetto, die bereits den Auftaktfilm der sinnigerweise am Himmelfahrtstag begonnenen Reihe beisteuerte – „SehnSUCHT“ –, hat in Hamburg gedreht, noch im alten Spiegel-Bau an der Brandstwiete, am Meer, in Wohnungen, unterwegs, lässt zwei Menschen erzählen, die ihre Drogensucht hinter sich gelassen haben, mehr oder weniger. „Dabei war für mich vor allem interessant, zu erfahren, wie man süchtig sein kann und dabei trotzdem ’funktioniert‘ “, erklärt Pradetto ihre Absicht.

Es geht ihr also gerade nicht um die kleinkriminellen Junkies am Rande der Gesellschaft, außerhalb der Gesellschaft. Es geht ihr um die, die trotz ihrer Sucht in der Gesellschaft bleiben, am Rande der Gesellschaft. Die trotz der Drogensucht irgendwie ein im Alltag sozial adäquates Verhalten auf die Reihe kriegen. Die ihre nicht sozial adäquate Sucht verheimlichen – müssen – und ergo nicht darüber sprechen können, eigentlich. „Die Protagonisten zu finden hat eine lange und intensive Vorbereitungszeit in Anspruch genommen“, wird Pradetto im Pressedossier zitiert.

Nun ist einer ihrer beiden Protagonisten der Zeit- und Spiegel-Journalist Jörg Böckem – nach ihm kann die Filmemacherin nicht allzu lange gesucht haben, eigentlich. „Lass mich die Nacht überleben“, „Danach war alles anders“, „Freitags Gift“ heißen seine seit 2004 erschienenen Buchtitel, auf Spiegel Online hat er ein öffentliches „Therapie-Tagebuch“ geführt.

Der Homepage seines Verlages ist zu entnehmen, dass der „Bestsellererfolg“ des ersten Buches „von der Bavaria verfilmt“ werde. Die Selbstentblößung in Pradettos Dokumentarfilm kann Böckem nicht allzu viel Überwindung gekostet haben, eigentlich. Sie ist sein Geschäftsmodell. So eignet seinen Ausführungen – einen Off-Kommentar gibt es in Pradettos Dokumentarfilm übrigens nicht – etwas irgendwie Redundantes, Penetrantes, Selbstgefälliges. Er sagt das alles nicht zum ersten Mal, er ist kein Schauspieler, jedenfalls kein guter.

Interessanter, authentischer wird es, wenn er bei seinen Eltern zu Hause in Erkelenz auf dem Sofa Platz nimmt. Wenn die Mutter, ehemalige Arzthelferin, immer den Tränen nahe, erzählt, wie der dazu selbst nicht mehr fähige Sohn von ihr, der Mutter, verlangt hat, dass sie, die Mutter, ihm die Heroinnadel setzt. Im Elternhaus.

„Höllentrips“: 3sat, Sonntag, 20. Mai, 21.55 Uhr

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3 Kommentare

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  • S
    Suchende

    Porträts jenseits von Klischees und Vorurteilen, die üblicherweise über Drogenabhängige kursieren - ganz große Klasse!

  • V
    viccy

    @ Möllemann

    In der Mitte der Gesellschaft gibt es gewiss viel Trinkerei, aber regelmäßiger, täglicher Gebrauch von Heroin oder Kokain oder Amphetaminen, nun ja, das ja wohl jenseits des Jugendalters nicht mehr.

  • M
    Möllemann

    Was für ein pathetischer Mist, der jede Realität von den Drogen in der Mitte der Gesellschaft verschleiert. Die Kontakte hätte ich ihr im Handumdrehen hergestellt. Man könnte doch beispielsweise gleich mal im Bundestag fragen!