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35.000 Stahlkocher müssen gehen

■ Arbeitsplatzabbau in der Stahlindustrie bis 1989 beschlossen / Bonn macht 300 Millionen für „soziale Flankierungsmaßnahmen locker / IG Metall und DAG begrüßen die Vereinbarungen des Stahlgesprächs

Bonn (dpa/vwd) - In der Stahlindustrie der BRD werden bis Ende 1989 rund 34.900 Arbeitsplätze (ohne Maxhütte) abgebaut. Damit geht fast jeder sechste Arbeitsplatz in diesem Bereich verloren, der im September noch 192.000 Beschäftigte zählte. Bei einem fünften Stahlgespräch verständigten sich Bundesregierung, Stahlindustrie und Gewerkschaften am Freitag in Bonn auf umfassende öffentliche Hilfen, um den Anpassungsprozeß sozial abzufedern. Massenentlassungen soll es keine geben. Die Stahlindustrie will auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Wie der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Eisen– und Stahlindustrie, Heinz Kriwet, und Bundesarbeitsminister Blüm (CDU) mitteilten, wird der Bund zusätzlich zu den bisher schon gewährten Hilfen 300 Mio. DM zahlen. Dabei geht Bonn davon aus, daß sich die betroffenen Länder gemäß der bisherigen Praxis mit einem Drittel und damit mit insgesamt weiteren 150 Mio. DM beteiligen. Weitere Zuwendungen der EG sollen auf diese Hilfen nur angerechnet werden, wenn sie 150 Mio. DM übersteigen. Somit stehen insgesamt 600 Mio. DM öffentliche Hilfen für Maßnahmen zur sozialen Flankierung des Strukturanpassungsprozesses in der Stahlindustrie zur Verfügung. Die Stahlindustrie ihrerseits wird nach Worten Kriwets 1,1 bis 1,2 Milliarden DM aufbringen. Vertreter aller Beteiligten begrüßten die Vereinbarung. Kriwet sprach von einer „akzeptablen Lösung“, damit werde man „notgedrungen leben können“. Dem Bundesfinanzminister sei es nicht leicht gefallen, über seinen Schatten zu springen. Die betroffenen Arbeitnehmer würden nicht „ins Bergfreie“ fallen. Wohin sie fielen, könne man zwar noch nicht sagen, aber „sie fallen auf jeden Fall weich“, sagte Kriwet. Laut Ippers räume die Entscheidung den Beteiligten jetzt Zeit ein, um ersthaft zu versuchen, „eine vernünftige Anzahl von Ersatzarbeitsplätzen zu bekommen“. Der Vorsitzende der Deutschen Angestellten–Gewerkschaft (DAG), Roland Issen, meinte, die Vereinbarung habe die Voraussetzung für den sozialen Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung in den Stahlregionen geschaffen. Von dem Arbeitsplatzabbau sind theoretisch alle Bundesländer mit Stahlstandorten betroffen. Vorrangig sind dies Nordrhein– Westfalen, Niedersachsen und das Saarland. Inoffiziell wurden in Bonn für die größten Stahlstandorte folgende Zahlen genannt: Bochum, Hattingen, Hagen 5.000; Mülheim, Oberhausen 4.000; Duisburg über 6.000; Saar 4.800; Dortmund 3.500; Salzgitter 2.800; Siegen 2.000.

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