3,1 Millionen Menschen ohne Arbeit: Mehr Joblose wegen Wirtschaftskrise
Die Wirtschaftskrise schlägt sich erstmals deutlich in den Arbeitslosenzahlen nieder: Die Zahl der Menschen ohne Job in Deutschland stieg im Dezember um mehr als 100.000 an.
Die Wirtschaftskrise hat den Jobmarkt erreicht, wenn auch erst in geringem Ausmaß. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Dezember insgesamt um 114.000, saisonbereinigt um 18.000 gestiegen. Noch im November war dieser Wert gesunken. Die positive Grundtendenz der vergangenen Monate auf dem Jobmarkt setze sich "nicht mehr fort", bedauerte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, am Mittwoch.
Auch die Zahl der offenen Stellen ging zurück, ein Trend, der aber schon länger zu beobachten ist. Rund 3,1 Millionen Menschen waren im Dezember arbeitslos gemeldet, die Arbeitslosenquote stieg auf 7,4 Prozent. Dass die Firmen bei sinkenden Auftragseingängen ihre Beschäftigten aber nicht gleich entlassen, sondern lieber verkürzt beschäftigen wollen, zeigt der Trend zur Kurzarbeit, ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das in den vergangenen Jahren kaum noch genutzt wurde und jetzt einen Boom erlebt. Im Dezember lagen nach Angaben der Bundesarbeitsagentur Anträge auf Kurzarbeit für rund 400.000 ArbeitnehmerInnen vor. Im Dezember 2007 waren es nur rund 100.000 Anträge gewesen.
Bei der Kurzarbeit ackern die Beschäftigten zu einer geringeren Stundenzahl bei entsprechend vermindertem Gehalt. Bis zu 67 Prozent der Gehaltsdifferenz gleicht dabei die Bundesarbeitsagentur aus. Sozialversicherungsbeiträge werden weitergezahlt. Die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld wurde ab 1. Januar auf 18 Monate verlängert.
Sollte sich der Trend zur Kurzarbeit fortsetzen, würden die dafür vorgesehenen Mittel von 300 Millionen Euro nicht ausreichen, erklärte Weise am Mittwoch. Möglicherweise würden für diese Leistungen in diesem Jahr bis zu 1 Milliarde Euro benötigt. Mit einer Rücklage von rund 17 Milliarden Euro verfüge die Behörde jedoch über ein ausreichendes Finanzpolster für ein bis eineinhalb Jahre, "um schlechte Zeiten durchzustehen", sagte Weise.
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sagte den Betrieben Unterstützung zu. Das Instrument der Kurzarbeit müsse weiterentwickelt werden. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte die Politik auf, Kurzarbeit unbürokratischer zu gewähren.
Die stärkste Nachfrage nach Kurzarbeit verzeichnete die Bundesagentur im Dezember in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen. Dies kann als Zeichen gewertet werden, dass gerade auch in wirtschaftlich starken Gebieten Unternehmen bei Auftragsflauten mit der Kurzarbeit befristet Beschäftigung reduzieren. Vor allem auf dem Bau und im Verarbeitenden Gewerbe wurden Anträge auf Kurzarbeit gestellt, weniger in den Dienstleistungsbranchen.
Dass auch die Zeitarbeitsbranche mit rund 655.000 Beschäftigten in großem Stil Leute entlässt, ist laut BA durch Zahlen derzeit noch nicht belegt. Nach Angaben aus der Branche vom Jahresende 2008 plant das Verleihergewerbe bislang lediglich einen Abbau von rund 10 Prozent der Beschäftigten. Das wären rund 65.000 Männer und Frauen, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt.
Im Vergleich von Dezember 2008 zum Vorjahr sehen die Arbeitslosenzahlen allerdings immer noch passabel aus. So lag die Zahl der erwerbslosen Männer und Frauen im vergangenen Monat immerhin noch um 304.000 niedriger als im Dezember 2007.
In die aktuell negative Tendenz passt der leichte Rückgang der Beschäftigung in Deutschland. Im November waren 40,89 Millionen Menschen erwerbstätig - und damit 4.000 weniger als im Oktober. Eine sozialversicherungspflichtige Stelle hatten davon im Oktober nach der Hochrechnung der Bundesagentur 28,02 Millionen. Im Vergleich zu den Vormonaten hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Oktober zugenommen, der Anstieg hatte sich zuletzt aber verlangsamt. Für den Dezember liegen noch keine Zahlen zur Beschäftigungsentwicklung vor.
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