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30. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess"Kann mich nicht erinnern"

Eine unergiebige Zeugenbefragung in Stuttgart überschattet den Streit um den Umgang mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Denn der hat ebenfalls gegen die FDLR Anklage erhoben.

In Den Haag auf der Anklagebank: Callixte Mbarushimana. Bild: dpa

Der Zeuge C. hat offenbar ein sehr lückenhaftes Gedächtnis. Wann ist er nach Lübeck gezogen? Er kann sich nicht erinnern. Hatte er in seiner Wohung Telefon? Er kann sich nicht erinnern. Woher kennt er Ignace Murwanashyaka, den wegen Kriegsverbrechen angeklagten Präsidenten der im Kongo kämpfenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)? Von einer Demonstration, aber wann das war, daran kann er sich nicht erinnern.

Hat er mit Murwanashyaka mehr als einmal telefoniert? Er kann sich nicht erinnern, aber sie hätten über Ruanda und über Frauen gesprochen. Wie oft hatte er überhaupt mit Murwanashyaka und seinem ebenfalls angeklagten Stellvertreter Straton Musoni zu tun? Er kann sich nicht erinnern.

Der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart wirkt ob der geringen Ausbeute der Befragung dieses Exilruanders etwas verärgert. Der Zeuge bestreitet sogar, das polizeiliche Vernehmungsprotokoll unterzeichnet zu haben, obwohl darauf seine Unterschrift steht und der Vorsitzende Richter Hettich sie ihm zeigt. Er würde mal wissen wollen, wie die da draufgekommen sein, ohne dass er unterschrieben habe, meint der Zeuge dazu. Die Angeklagten grinsen.

Die Befragung von C. hätte den Nachmittag des 5. Oktober füllen sollen – sie war nach weniger als einer Stunde vorbei. Verlesen wurden davor und danach diverse interne FDLR-Dokumente, so das vom 13. August 2005 über Murwanashyakas Wiederwahl zum FDLR-Präsidenten durch das Führungskollektiv mit 88,89 Prozent der Stimmen, und auch die Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Callixte Mbarushimana, Exekutivsekretär der FDLR, 2010 in Paris festgenommen und nach Den Haag überführt. Mbarushimana war bis zu seiner Festnahme neben Murwanashyaka und Musoni der dritte und letzte hochrangige FDLR-Führer im europäischen Exil.

Plan einer humanitären Katastrophe im Kongo

Die auch im Internet nachzulesende Anklageschrift des Chefanklägers Luis Moreno-Ocampo gegen Mbarushimana ist weitaus präziser und umfassender als der in Stuttgart verlesene Anklagesatz gegen Murwanashyaka und Musoni und enthält auch direkte Vorwürfe gegen Murwanashyaka selbst. Dieser, Mbarushimana sowie der im Kongo basierte FDLR-Militärführer Sylvestre Mudacumura hätten mit gemeinsamer Zweckbestimmung gehandelt und einen gemeinsamen Plan verfolgt: eine humanitäre Katastrophe im Kongo herbeiführen, um damit die Weltgemeinschaft zu erpressen, damit sie Ruanda zu Zugestädnissen gegenüber der FDLR drängt; dazu eine Medienkampagne, um die Verbrechen der FDLR zu verschleiern.

Die Verteidigung – die zum Teil während dieser Verlesung untereinander scherzte - sagt, diese Anklageschrift sei "politisch motiviert" und es gebe keine Beweise für ihre Richtigkeit. Kein Wunder: der Prozess in Den Haag, bei dem Beweise präsentiert werden müssen, hat ja noch gar nicht begonnen. Sie moniert auch, dass Zeugen anonymisiert seien und Details "emotionalisierend beschrieben" wurden. Solle der Senat in der Anklageschrift Den Haags einen Beweiswert erkennen, werde man alle Verfahrensakten anfordern sowie die komplette Anklageschrift mit nicht-anonymisierten Zeugen.

Wieder einmal droht die Verteidigung also offenbar damit, Zeugen von FDLR-Verbrechen auffliegen zu lassen, die zum eigenen Schutz nur dann aussagen, wenn sie sich sicher sein können, dass die FDLR das nicht erfährt. Sie setzt sie damit bewußt Gefahren im Kongo aus, wo die FDLR nach wie vor militärisch aktiv ist.

Der Prozess wird am 12. Oktober fortgesetzt.

Redaktion: Dominic Johnson

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1 Kommentar

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  • I
    isomatte

    Wäre es nicht sinnvoller, diese dreisten Kriegsverbrecher ebenfalls in Den Haag vor Gericht zu stellen? Denn die deutsche Justiz scheint doch zeitweise schon ein bißchen überfordert von dieser ganzen Geschichte.

    Wenn ich diese Berichte lese über die Reaktionen der Verteidigung läuft es mir jedes Mal eiskalt über den Rücken. Klar müssen Angeklagte verteidigt werden. Aber es ist wahrhaft schwer auszuhalten mit dem Wissen über die Leiden der Menschen, die von dieser Rebellengruppe immer noch heimgesucht werden. Und mit dem Wissen, dass es der Angeklagte ist, der diesen Rebellen an einem Tiefpunkt wieder zu neuem Selbstbewusstsein und neuer Stärke verholfen hat. Was wohl nicht passiert wäre, wenn die Deutsche Justiz ihn schon eher dingfest gemacht, bzw. ausgeliefert hätte.

    Und schlimm zu sehen, wie resistent hier Frauen sind gegenüber dem Leiden anderer Frauen. Ich fühle mich jedenfalls ins Gesicht geschlagen und gespuckt, stellvertretend für alle die Vergewaltigungsopfer der FDLR, wenn ich mir die Ungeheuerlichkeiten der Äußerungen und Forderungen dieser Verteidigung bewusst mache. Und mich beschleicht ein vages Gefühl, dass hier vielleicht der Rechtsstaat doch ein bißchen zu weit geht.