: 30 Jahre Bohnen in den Ohren
■ Wie kann Irland den vierten Sieg in Folge verhindern?
Beim irischen Fernsehen Radio Telefis Eireann (RTE) geht die Angst um, daß der irische Beitrag beim europäischen Schlagerwettbewerb, dem Grand Prix Eurovision, heute abend zum viertenmal hintereinander gewinnen könnte. Dann müßte RTE im nächsten Jahr das Wettsingen erneut ausrichten, was den Sender wohl an den Rand seiner finanziellen Kräfte bringen würde.
Doch noch hat man sich eine Hintertür offengelassen, um den musikalischen Super-GAU zu verhindern: Bei der irischen Vorentscheidung im März hatte sich der Belfaster Sänger Eddie Friel mit dem Lied „Dreamin'“ durchgesetzt. Anschließend bemerkte jemand bei RTE, daß der Song praktisch identisch ist mit einem Schlager aus den 70er Jahren: „Moonlight“ von der britischen Sängerin Julie Felix. RTE spielte Richard Abbott und Barry Woods, den beiden Komponisten der Kopie, das Felix-Lied vor. Beide waren „schwer erschüttert“. Drei Tage lang wurden sie von RTE über ihre Hörerlebnisse der letzten 30 Jahre ausgefragt. Konnten sie „Moonlight“ irgendwann gehört haben?
Offenbar sind beide jedoch die ganze Zeit mit Bohnen in den Ohren herumgelaufen, denn das RTE-Gericht gelangte am vergangenen Wochenende zu der Überzeugung, daß die Ähnlichkeiten zwischen beiden Liedern auf Zufall beruhen. Ein weises Urteil – schließlich geht es in der Branche ja gerade darum, nicht mit Originalität aus der Reihe zu tanzen. Und gibt es etwa ein Copyright auf „Ding Dinge Dong“, „A-Ba- Ni-Bi“ oder „Diggy-Loo-Diggy- Ley“, um nur drei unsägliche Beiträge aus vergangenen Jahren zu nennen?
„Ich wünsche Ihnen viel Glück“, sagte Julie Felix nach der Entscheidung, „es wäre wirklich sehr traurig gewesen, hätten Sie das Lied aus dem Wettbewerb nehmen müssen.“ Das meint sie vermutlich ehrlich: Eine Klage lohnt sich erst dann, wenn der Song gewinnt.
Deshalb hat Felix darüber noch nicht entschieden. Sollte das Lied tatsächlich gewinnen, so könnten aber auch andere Teilnehmerländer dagegen klagen, weil in den Wettbewerbsstatuten ausdrücklich steht, daß nur „Originalsongs“ zugelassen sind. Ein RTE-Direktor, so heißt es, habe sich diesen Paragraphen dick angestrichen – als letzten Ausweg aus dem abzusehenden Ruin des Senders, falls die Kopie heute siegt. In diesem Fall will Julie Felix ihr Original neu auflegen lassen. Ralf Sotscheck, Dublin
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