27. Januar: Nicht-Vollstrecker
■ Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Auschwitz im Rathaus
„Solange wir noch die Möglichkeit haben, Überlebende des Nationalsozialismus anhören zu können, sollen und müssen wir sie nutzen“, sagte Hermann Kuhn, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bremen. Eine solche Gelegenheit bot sich am Sonntagabend im Rathaus bei einer Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Diesmal wurde nicht nur an die Grausamkeiten des NS, sondern vor allem an die kleinen und großen Helfer der Verfolgten erinnert. Die Historikerin Beate Kosmala berichtete, wie die Hilfe einzelner Bürger aussah und wie schwierig es heute ist, Zeitzeugen ausfindig zu machen. Einer von ihnen war immerhin selbst anwesend: Jizchak Schwersenz, ein ehemaliger Lehrer, der sein Untertauchen mit einer kleinen Gruppe junger Leute schilderte. Ihnen gelang es, sich bis 1945 vor den Nazis versteckt zu halten, auch wenn einzelne aufflogen und deportiert wurden.
Mit seiner Herzlichkeit faszinierte er das Publikum. Mit klarer Stimme und ohne jede Spur von Verbitterung sprach er über Menschen, die ihm wegen ihrer eigenen Angst nicht helfen konnten oder wollten. „Man muss das verstehen und akzeptieren!“, sagte der gebürtige Berliner und hob stattdessen die selbstlosen Taten einiger ihm unvergessener Menschen hervor: „Ohne fremde Hilfe hätten wir damals nicht überleben können.“
Zum Beispiel erzählte er sichtlich gerührt von seiner ehemaligen Freundin, die 1938 zum Judentum übertrat. „Es ist immer besser, sich auf die Seite der Verfolgten, als auf die Seite der Verfolger zu stellen“, habe sie damals gesagt. Nachdem die junge Frau ihn zum Untertauchen ermutigt und die kleine Gruppe nach Kräften unterstützt hatte, wurde sie 1943 selbst verhaftet. Wie durch ein Wunder überlebte sie 18 Konzentrationslager und starb erst 1993.
Schwersenz will die Auseinandersetzung Jugendlicher mit diesem Thema fördern, „damit so etwas nicht noch einmal passiert“. Leider waren unter den rund 100 Zuhörern nicht viele SchülerInnen, sondern hauptsächlich Ältere. Charlotte Beck (14), Anna Brüning (14)
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