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21 Websites abgeschaltetKein direkter Draht

Ein Schauspieler, seine Anwälte, eine IT-Firma und ein linkes Kollektiv setzen 21 Webseiten offline. Zensur? Nein, fehlende Kommunikation.

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ – Ludwig Wittgenstein. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein bekannter deutscher Schauspieler wurde Opfer einer Straftat. Deren Umstände samt seiner Privatadresse wurden auf einem linken Blog veröffentlicht. Er suchte sich daraufhin Anwälte, um den Beitrag aus dem Internet zu löschen. Die Krux: Weder der Name des Darstellers noch der seiner Anwälte dürfen im Folgenden genannt werden.

Das geht aus einer Presseunterweisung der Anwälte vor, die der taz vorliegt – zugleich der Ausgangspunkt einer Farce, die eine Kette von Nicht-Reaktionen, Nicht-Zuständigkeiten und Nicht-Handeln darstellt. Aufgrund dessen gingen insgesamt 21 Webseiten verschiedener lokaler Bürgerinitiativen, von Fotografen und Musikern aus den USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich offline. Soweit hätte es nicht kommen müssen.

Im vergangenen Winter wurde das Haus besagten Schauspielers mit Farbe beschmiert, ein davor stehendes Auto angezündet. Die Tat und ihre Hintergründe wurden auf der Website „directactionde.ucrony.net“ kommentiert. Dem Anwalt des Betroffenen zufolge „feierte“ die Website die Tat geradezu. Das rechtlich Schwerwiegende war allerdings die Nennung der Adresse des Schauspielers. Mit der Veröffentlichung der vollständigen Privatanschrift verstießen die Betreiber gegen das Persönlichkeitsrecht des Mandanten nach Paragraf 823 BGB. Soweit der Vorwurf des Anwalts.

Glossar

DNS: Abkürzung für Domain Name System. Dieser Dienst ordnet jeder Internetadresse beziehungsweise Domain eine IP-Adresse zu, die nur aus Nummernkombinationen besteht.

Domain: Dies ist ein weltweit einmalig vorkommender Name einer Adresse im Internet, der aus unterschiedlichen Hierachien besteht: www.subdomain.domain.top-level-domain. Hierbei ist die Top-Level-Domain häufig das Länderkürzel, also „de“ für Deutschland.

ICANN: Abkürzung für „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“. Diese Non-profit Organisation koordiniert die Vergabe der Namen und Internetdressen.

Registrar: Ist in diesem Fall das Unternehmen, das die Registrierung von Internet-Domains damit bei der ICANN durchführt.

Whoisdaten: Das sind die Daten, die Informationen zu Domains, ihren IP-Adressen sowie deren Eigentümer mit Adresse und Kontaktdaten beinhaltet. Sie werden bei der Anmeldung einer Domain hinterlegt. Diese Daten sind zumeist öffentlich bei den Registraren abrufbar.

„Unkenntnis des bearbeitenden Anwaltes“

Der vom Schauspieler beanstandete Artikel lag bis zum 3. Mai 2013 auf einer Subdomain von „ucrony.net“. Wie aus der Pressemitteilung der Seite zum vorliegenden Fall hervorgeht, ist Ucrony.net ein Kollektiv von Freiwilligen, die seit 2006 für zahlreiche nicht-kommerzielle Projekte und Blogs Subdomains anbieten – auf einer davon war der Kommentar zum Farb- und Brandanschlag auf das Eigentum des Schauspielers veröffentlicht. Die Internetadresse „ucrony.net“ ist bei dem zur Key-Systems GmbH aus St. Ingbert gehörenden Domaindiscount24 registriert.

Key-Systems wurde erstmals am 9. April 2013 anwaltlich aufgefordert, die Veröffentlichung der Wohnanschrift des Mandanten mit Fristsetzung vom gleichen Tag zu unterbinden. „Schon aus diesem Anschreiben wurde eine Unkenntnis des bearbeitenden Anwaltes hinsichtlich der Rolle und Verantwortung eines Registrars deutlich“, teilte Volker A. Greimann von der Rechtsabteilung von Key-Systems auf taz-Anfrage mit.

„Wir haben das Ansinnen unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung zurückgewiesen, auf den Domaininhaber verwiesen und gleichzeitig unseren Kunden über die Beschwerde informiert und gebeten, nötigenfalls Abhilfe zu schaffen“, so Greimann. Dies wurde so auch den Anwälten des Schauspielers mitgeteilt, wie diese in der Presseunterweisung bestätigen.

Kontaktaufnahmen ohne Erfolg

Die Seite wurde derweil nicht geändert. Laut Presseunterweisung blieben weitere Bemühungen zur Kontaktaufnahme seitens der Anwälte des Schauspielers mit Hilfe von E-Mail-Anfragen an Ucrony.net und den Seitenverantwortlichen der Subdomain erfolglos. Der Seite fehle ein Impressum, zudem verwies die angegebene Zustelladresse auf den Hamburger „Schwarzmarkt“, so die Anwälte.

Erst am 29. April wird Key-Systems wieder von den Anwälten des Schauspielers angeschrieben. Die fordern die Firma erneut auf, für „die Abschaltung der Rechtsverletzung zu sorgen“, erklärt Greimann, da „eine Abschaltung der Domain nicht unverhältnismäßig“ sei. Key-Systems wies diese Aufforderung wiederum zurück.

Am selben Tag erhielt auch Ucrony.net eine E–Mail von den Anwälten des Schauspielers: „Dies war bis dahin der einzige Kontaktversuch, mit einer Frist von wenigen Stunden“, widerspricht Ucrony.net der Darstellung der Anwälte. „Diese E-Mail wurde aber erst am Freitag gelesen, da wir freiwillig arbeiten und nicht 24/7 zur Verfügung stehen. Zudem möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass unsere Postadresse in Hamburg gültig war und wir dort kein Schreiben empfangen haben.“

Bereits einen Tag später, am 30. April, erhielt Key-Systems erneut Post: „Darin wurden wir als 'Teil eines Systems (...) um (...) klandestine Veröffentlichung unter Verdeckung der Inhaltsverantwortlichen zu ermöglichen' bezeichnet. Naturgemäß wurde erneut ein Unterlassungsanspruch behauptet. Auch dies haben wir zurückgeweisen“, führt Greimann aus. Aber noch am selben Tag erwirkten die Anwälte des Schauspielers beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen Key-Systems.

Einstweilige Verfügung des Gerichts erreicht Ucrony.net

Ein letztes Mal kontaktierte Key-Systems das Kollektiv von Ucrony.net und forderte unter Androhung der Deaktivierung der Domain zur Korrektur seiner Whoisdaten auf. Eine Reaktion blieb aus. Am 2. Mai erreichte dann die einstweilige Verfügung endlich Key-Systems, sie wurde sofort an Ucrony.net weitergereicht.

Am 3. Mai nahmdas Kollektiv den inkriminierten Artikel offline, zu dieser Zeit sei der DNS-Service allerdings schon deaktiviert gewesen, teilt Ucrony.net taz mit. Auch Greimann bestätigt, dass die erste Reaktion seitens Ucrony.net erst nach der Abschaltung erfolgte. Die Domain samt aller anderen Subdomains und Dienste sowie wie deren Nutzer-E-Mails und Mailinglisten geht offline.

Betroffen seien laut Kollektiv die angesprochenen 21 Webseiten. Dieser Totalausfall war nicht von den Anwälten des Schauspielers gewollt, aber Key-Systems konnte nicht mehr anders handeln, als die komplette Domain zu sperren. Eine Abschaltung nur der Subdomain sei technisch nicht möglich gewesen.

Abschaltung nur ein Verstoß gegen die Registrierungsbedingungen

„Leider hat unser Kunde bis zur Deaktivierung auf keines unserer Anschreiben reagiert“, stellt Greimann fest. Verbunden mit der Angabe falscher beziehungsweiser unvollständiger Whoisdaten stelle dies einen Verstoß gegen die von der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) vorgegeben Registrierungsbedingungen dar, erklärt er. „Dieser Verstoß, und nicht die einstweilige Verfügung, hat schließlich die Grundlage für die vorübergehende Deaktivierung des Domainnamens dargestellt.“

Denn seit Montagabend, 6. Mai, ist zumindest die Domain inklusive der E-Mails der Nutzer und ihrer Mailinglisten wieder online. Sie wurde auf einen dem Kollektiv Nahestehenden übertragen, der nicht namentlich genannt werden möchte. Er habe mit dem Kollektiv nicht viel zu tun – „notfallmäßig habe ich das eben übernommen, ich gebe nur meinen Namen her“, sagt er. Und seine Adresse für die korrekten Whoisdaten.

Damit dürfte es zwar in Zukunft besser mit der Kontaktaufnahme zwischen den beteiligten Parteien klappen, doch die Adresse des Schauspielers wird wohl wegen des Streisand-Effekts im Netz bleiben.

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25 Kommentare

 / 
  • SJ
    Simone Jager

    Deutschland war nie besser...

     

    Nebenbei, das Bekennerschreiben zur Aktion gegen Till Schweigers Machenschaften:

     

    http://pastebin.com/wycZQtwc

     

    ...Deutschland war als Kind schon scheiße!

     

    reflect yourself...

  • WI
    Was ist das denn?

    Gefunden im Freitag, eine Mittelung der dpa an die Redaktionen:

     

    "Sehr geehrte Kunden, der dpa ist ein Schreiben des Rechtsanwaltes von Til Schweiger zugegangen, in dem er dazu auffordert, von einer Berichterstattung über den Farbanschlag auf das Haus des Schauspielers abzusehen.

    Wir sind der Auffassung, dass die dpa-Berichterstattung rechtmäßig ist, können jedoch keine Aussage über den tatsächlichen Ausgang möglicher Rechtsstreitigkeiten treffen. Wir weisen darauf hin, dass eine Verwendung der eben gesendeten dpa-Meldung zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen könnte. Auf eine breitere Berichterstattung inklusive Zusammenfassung und Fotos verzichtet dpa vorerst. dpa"

     

    Frage an die taz-Redaktion: Wie oft bekommt ihr solche Anweisungen?

  • AH
    arthur harris

    schade dass ihr die aktivist_innen so diskreditiert und nicht mal erwähnt was es mit der neuen farbgebung des verschwiegenen anwesens auf sich hat: eine kritik an der militärpropaganda und auch sonstigen rechtslastigen einstellungen des Schauspielers [sic!] ;-p

  • S
    Streisand

    Soviel zum Thema "Streisand-Effekt"...

  • HL
    Hauke Laging

    Da wird also eine E-Mail vier Tage lang nicht gelesen. Weil man es ja freiwillig macht. Was? Internetdienste anbieten. Vermutlich werden die E-Mails dort automatisch ausgedruckt, und die einzige Möglichkeit, sie zur Kenntnis zu nehmen, ist eine Fahrt ins Büro. Und das ist gefährlich, weil man ja wegen Dauerschwarzfahrens gleich im Knast landet, wenn man mal wieder erwischt wird.

     

    Derartiger Dummlall kann nur aus dieser politischen Ecke kommen. Dort ist er ja auch niemandem peinlich. Ansprüche hat man immer nur an die anderen.

     

    Die Inkompetenz deutscher Gerichte bis an die Grenze zur Rechtsbeugung ist dadurch natürlich nicht zu entschuldigen, auch wenn man mit den Geschädigten (den 20 übrigen Subdomains) wahrlich kein Mitleid haben muss. Die wussten ja, mit wem sie sich einlassen.

  • TS
    Til Schiller

    Wenn dieser Typ noch einmal als Schauspieler bezeichnet wird, dann lass ich meine Anwälte von der Leine.

  • T
    thogo

    @Thorben Kaufmann:

    "Zu solchen Krawallmachern kann ich nur sagen: ihr habt die Wahl - wenn es Euch hier nicht gefällt, macht Euch doch bitte bitte vom Acker und lasst "normale" Menschen in Ruhe."

    Sind Sie sicher das nicht Sie die Invasoren im Netz sind? Die "normalen Menschen" habe ich in den letzten > 20 Jahren zu oft im Netz erlebt als die welche 0 Ahnung haben aber am lautesten schreien wenn man sie vermeintlich nicht ernst nimmt.

    Bleibt bitte offline (Stammtische in den Kneipen sind auch schön) bis ihr den neuen Kontinent Internet verstanden habt - und nehmt bitte Herrn T.S. und seine Anwälte mit...

     

    Hach, früher konnte man diesen Typus noch nach °dag einweisen...

  • KK
    Kein Kunde

    Zumindest kenne ich jetzt das Haus der Streisand.

  • EL
    Ein Leser

    Dank Heise kenne ich jetzt den Namen des Anwalts (Heise nennt nur den Schauspieler direkt, aber verlinkt auf einen Artikel mit dem Anwaltnamen)

     

    Liebe taz, wenn jener Anwaltsname richtig ist, dann ist Euer ganzer Artikel für mich kein guter Journalismus, weil mir als Leser dann eine im Zusammenhang mit Eurer Zeitung relevante Information unterschlagen wurde. Transparenz und so.

     

    Denkt da mal drüber nach.

  • S
    Sebastian

    Aber der Mann ist doch gar kein Schauspieler. Er versucht es nur.

  • K
    koellems

    Ich kann verstehen, dass der Mann seine vollständige Adresse nicht genannt haben möchte. Alles weitere ist eben der Gang der Justiz..

    Und immer dieses bashing, das ist so billig, weil es so naheliegend ist, nicht? Das kann eben jeder, ohne auch nur einen wirklichen Gedanken dazu angestellt zu haben.

  • K
    Keinhirnhase

    Kommissar Tschiller, übernehmen Sie!

  • M
    Mikki

    Wer diese Story liest und diese Story dann auch noch versteht, weiß:

    Solche Stillschweiger, wie sich die Anwälte des anonym bleiben wollenden Schauspielers das wünschen, braucht das Land.

    Das wär' doch mal 'nen Shitstorm aller Gegner des Stillschweigens wert. Und ja, ignoriert ihn, er will nicht erkannt sein und er will nicht bekannt sein, also geht am besten auch nicht mehr in seine Filme, die sich ohnehin auf dem Niveau stillschweigender Langohrhasen bewegen. Und die Zeiten, in denen die Filme des Stillschweigers schwerpunktmäßig von lechzenden weiblichen Zuschauern besucht wurden, sind seit/mit #aufschrei sowieso vorbei.

  • TK
    Thorben Kaufmann

    Schlimm ist die Tat an sich. Wer annähernd objektiv berichtet (wie es z.B. die TAZ oder die FAZ oder die Süddeutsche tun), macht sich nicht schuldig oder angreifbar.

    Die Comments hier sind allerdings, sagen wir vorsichtig, wie von Unfertigen der Gesellschaft - nicht wirklich zivilisiert. Motzen über Menschen mit anderer Auffassung - ein wenig unreif.

    Zu solchen Krawallmachern kann ich nur sagen: ihr habt die Wahl - wenn es Euch hier nicht gefällt, macht Euch doch bitte bitte vom Acker und lasst "normale" Menschen in Ruhe.

  • P
    pondo

    Haha, schon lustig. Ohne mich ursprünglich dafür interessiert zu haben, kenne ich nun nach zweisekündigem Googeln die Adresse dieses Typen. Obwohl es mich immer noch nicht interessiert. Starker Typ.

  • X
    xVegAnarchistx

    "Dem Anwalt des Betroffenen zufolge „feierte“ die Website die Tat geradezu."

     

    Was für eine billige Lüge, das einzige was diese (sehr gute) Seite tut ist Nachrichten/Bekennerschreiben zu direkten Aktionen mit linksradikalem Kontext veröffentlichen, ohne jemals irgend einen persönlichen Kommentar dazu abzugeben.

     

    Wer sich übrigens für die linksradikalen Geschehnisse im Rest der Welt interessiert: http://325.nostate.net/

  • I
    iltosta

    Ganz schön feige, liebe TAZ.

    Guckt mal auf heise.de

  • N
    neubau

    Dem Hasen fehlen doch die Ohren, oder?

  • N
    nanu

    wieso darf die kanzlei jede berichterstattung über den fall verbieten? und wieso lässt sich die taz diesen maulkorb auch noch anlegen?

  • T
    Till

    Tatort Ist Leider Lachhaft. SCHon Wieder EIne Ganz Ehrliche Reaktion.

  • P
    Purple

    "Weder der Name des Darstellers noch der seiner Anwälte dürfen im Folgenden genannt werden. "

     

    Dann schweig' er auch besser drüber!

  • G
    GreatGuido

    Der besagte Schauspieler wäre bestens in der CSU aufgehoben, dann kann er weiter ohne schlechtes Gewissen seine gesamte Brut im öffentlich-rechtlichen unterbringen...

  • B
    Bernd

    No sleep, Till

  • L
    Lulu

    "Weder der Name des Darstellers noch der seiner Anwälte dürfen im Folgenden genannt werden. "

     

    Schon lustig. Googelt man nach "schauspieler farbe auto angezündet" erhält man dutzende Seiten mit dem Namen des Schauspielers und auch der Anwaltskanzlei...

  • M
    Matze

    Der Schauspieler soll seine Zeit lieber darauf verwenden, seine nuschelnde Darstellung eines Tatortkommissars zu verbessern :D