21 Jahre nach Ermordung durch Neonazis: Das halbe Gedenken an Amadeu
Vor 21 Jahren brachten Neonazis den Angolaner Amadeu Antonio um. Nun soll in Eberswalde eine Straße an ihn erinnern. Die Familie wartet heute noch auf finanzielle Hilfe.
BERLIN taz | Was als schöner Abend unter Freunden begann, wurde zum Synonym für Fremdenhass in Deutschland. In der Nacht vom 24. auf den 25. November 1990 fiel der Angolaner Amadeu Antonio einem prügelnden Mob aus 50 zumeist jugendlichen Angreifern in Eberswalde zum Opfer. Der rassistische Übergriff prägt die brandenburgische Kleinstadt bis heute. An diesem Freitag, wäre Amadeu Antonio 49 Jahre alt geworden. Ab Freitag soll ein Straßenname an die Ereignisse von vor 21 Jahren erinnern.
Doch die Geschichte des Eberswalder Gedenkens ist getrübt. Über zwei Jahrzehnte nach dem Vorfall steht der Landkreis Barnim noch immer im Wort, denn seine einst versprochene Hilfe für die Hinterbliebenen des Opfers soll niemals angekommen sein.
Gemeinsam mit sieben anderen Männern aus Angola und Mosambik war Amadeu Antonio in der Novembernacht 1990 auf dem Weg von seinem Stammlokal nach Hause. Auf Höhe der alten Chemiefabrik laufen sie einem mit Messern, Baseballschlägern, Zaunlatten und Schreckschusspistolen bewaffneten Schlägertrupp aus Skinheads und Heavy-Metal-Rockern in die Arme. Antonio wird gejagt, geschlagen und getreten - obwohl Polizisten die ganze Zeit vor Ort sind.
Nach mehreren Minuten der Qual lassen die Peiniger von ihm. Der Angolaner bleibt bewusstlos am Boden liegen, stirbt wenige Tage später in einem Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen. Die Schläger bezeichnen ihre Tat später als "Negerklatschen".
Kampagne sammelt Spendengelder
Bislang verweist nur eine unscheinbare Gedenktafel auf die Ereignisse vom November 1990. Die Eberswalder Straße, in der seinerzeit die Hetzjagd stattgefunden hatte, soll ab Freitag ebenfalls an diesen traurigen Tag erinnern und den Beinamen Amadeu-Antonio-Straße tragen. Im nächsten Jahr, wenn Antonio 50 Jahre alt geworden wäre, soll dann die endgültige Umbenennung erfolgen, sodass die Eberswalder Straße dann auch auf Karten als "Amadeu-Antonio-Straße" verzeichnet ist. "Wir wollen auf diese Weise dafür Sorge tragen, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät", sagt Kai Jahns von der Barnimer Kampagne "Light Me Amadeu", die die Idee dazu hatte.
Die Kampagne sammelt derzeit Spendengelder für die Familie von Amadeu Antonio in Angola, um "ein Zeichen solidarischer Menschen aus Deutschland zu senden", wie es in dem Aufruf heißt. Obwohl der Kreistag in Eberswalde bereits am 8. Dezember 1990 beschlossen hatte, finanzielle Beihilfen für die Überführung des Leichnams nach Angola und die Beerdigung dort zu leisten, kam bei den Hinterbliebenen von Antonio kein Geld an.
Eine Anfrage der Grünen im Kreistag hatte zu Beginn des Jahres bestätigt, was das ARD-Magazin Panorama bereits vor zehn Jahren aufdeckte: Die Kreisverwaltung hat diesen Beschluss nie umgesetzt. Warum, das kann oder will dort niemand sagen. "Wir haben intensiv recherchiert, ob und wie dieser Auftrag tatsächlich ausgeführt wurde", erklärt eine Sprecherin des Landrates gegenüber der taz. Doch nach so langer Zeit ließe sich der Vorgang nicht mehr nachvollziehen.
Die Kosten für die Bestattung blieben an Antonios Familie in Angola hängen. Seine Mutter und Geschwister leben in einem Armenviertel in der angolanischen Hauptstadt. Für einen Grabstein hat ihr Geld nicht gereicht. Nur ein paar aufgeschichtete Steine markieren die Grabstelle auf einem Friedhof am Stadtrand Luandas.
Die Grünen wollen nun im Kreistag erneut finanzielle Unterstützung für die Angehörigen von Antonio beantragen. 5.000 Euro soll der Kreis zur Verfügung stellen. "Wir wollen der Familie zeigen, dass wir Amadeu nicht vergessen haben, und ein Stück weit späte Wiedergutmachung leisten", sagt die Fraktionsvorsitzende der Barnimer Grünen, Ute-Katrin Krakau. Ob dieses Vorhaben gelingt, ist offen: Bislang wollten sich die anderen Fraktionsvorsitzenden im Kreistag gegenüber der taz dazu nicht äußern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld