2020 droht die Schuldenbremse: Lieber klein und notleidend
Was kommt dann, wenn die Bürgerschaft die Sanierung nicht schafft – geht alles weiter wie immer oder ist Bremen am Ende?
BREMEN taz | Die Reaktion von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen: „Überflüssig, sinnfrei und abgehoben“ sei die neue Debatte über eine Länderfusion nach dem Jahre 2020.
„2020“ ist eine Horizont-Marke für die bundesdeutsche Politik. Bis dahin ist alles geregelt, wie es danach weiter geht, ist aber offen. Ganz klar ist nur, dass viele derzeit aktive PolitikerInnen – Böhrnsen, Merkel, Linnert – dann vermutlich nicht mehr Verantwortung tragen werden.
Aber sie stellen die Weichen für das, was danach kommt. Trotz des Böhrnsen-Verdiktes hat die Bundeskanzlerin in der ihr eigenen Unklarheit versichert, es müsse „neu nachgedacht werden“. Und zwar über den Länderfinanzausgleich: „Ich glaube, das ist aus dem Lot gelaufen.“
Das war deutlich. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Ernst Mönnich hat das Problem jüngst in einer Studie über die Bremer Sanierungs-Politik dargelegt: Wenn Bremens Investitionspolitik erfolgreich gewesen wäre, damals, schreibt er, dann hätten vor allem die Geber-Länder im Länderfinanzausgleich viel davon gehabt.
Die Sanierungspolitik scheiterte aber, weil sie von zu optimistischen Einnahmen ausging, schreibt Mönnich. Die Geber-Länder wussten das, sie nahmen es gelassen und spendierten neue Sanierungsmilliarden. Das könnte ein Szenario auch für 2020 sein – notleidende kleine Bundesländer sind für den Bund bequemer an der kurzen Leine zu halten als selbstbewusste reiche Bundesländer.
Das andere Szenario machte Bremens ehemaliger Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) jüngst auf, der dieses Amt derzeit in Berlin innehat: „Klar, dass ein Bremer einer Fusion mit Niedersachsen zustimmt, erscheint heute undenkbar. Aber wäre das irgendwann die einzige Möglichkeit, die Bremer Schulen und Straßen weiter zu finanzieren, dann kommen die Menschen vielleicht ins Nachdenken“, sagte Nußbaum der taz.
Und er schlägt dem Bund geradezu einen Deal vor: Der „sollte gezielt Geld in die Hand nehmen und den am stärksten verschuldeten Ländern aktiv bei der Entschuldung helfen“. Im Gegenzug sollte der Bund sich Kompetenzen holen, die er in der letzten Föderalismusreform-Debatte vergeblich forderte: Bildungspolitik und Steuerverwaltung. Die Debatte um die Lehrergehälter wären dann nur ein Vorbote für das gewesen, was die weitere Sparpolitik in der Bevölkerung erzeugen wird.
„Ich denke ganz viel über die Zeit nach 2020 nach“, erklärt Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert. „Altschuldenregelung ist die Voraussetzung dafür, dass Bremen ohne Verstoß gegen die Schuldenbremse klarkommen kann“, sagt sie. Sich Kompetenzen quasi abkaufen zu lassen, wäre für sie „eine sehr kurzsichtige Strategie“, am Ende „sind wir irgendwann ohne Schulden und ohne Zuständigkeiten – so kann man den Föderalismus auch ruinieren“.
Insbesondere die Bildungskompetenz will sie nicht abgeben, das ist „einer der Kernbereiche der Kompetenzen im Föderalismus“. Die Zentralisierung der Steuerverwaltung? Eine Schnapsidee, „weil die reichen und großen Bundesländer das nie abgeben werden“. Auf die Frage „Was, wenn?“ antwortet Linenrt nicht. Wer etwas durchsetzen will, darf keine Antwort auf die Frage geben, was wäre, wenn er sich nicht durchsetzt.
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