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■ 2000 Anschläge – Die GastkolumneBringfriede, bring Knete!

Sparen, sparen, sparen; man kann eine Stadt, aber auch die Kultur einer Stadt kaputtsparen. Liegt Bremen mit seinem Kulturhaushalt schon an letzter Stelle aller vergleichbaren Städte in der Bundesrepublik, so scheint es für die Politiker des kleinsten Bundeslandes nur konsequent, die Zuwendungen für die Kultur weiter zu kürzen.

Ob ich, um den Fußball als Vergleich zu nehmen, mit 15 oder 0 Punkten absteige; Abstieg ist Abstieg. Dabei hatten wir uns, die wir für Hochschulen, Museen, Theater ver- antwortlich zeichnen, von der Fusion Wissenschaft und Kunst einen Schub in Richtung eines höheren Tabellenplatzes erhofft.

Ein Beispiel für eine Kooperation Kunst und Wissenschaft: Die Hochschule für Künste hat zwei Stellen im Bereich Medien und Experimentalfilm/Video durch Pensionierung frei, d.h. wiederzubesetzen. Zumindest eine Stelle, so ist zu befürchten, soll eingespart werden. Dieser Studienschwerpunkt ist aber einer der zukunftsträchtigen. Gute und neugierige Studenten kommen nur, wenn es „Elektronik“ gibt.

Bremen ist momentan in der freien Kunstszene auf diesem Feld nur sehr schwach besetzt. Was Bremen aber auszeichnet, ist ein Kunsthallendirektor und Honorarprofessor an der HfK, der weltweit als Medienexperte und –theoretiker in diesem Bereich bekannt und anerkannt ist. Wir hätten die einmalige Chance, diese Stellen mit hochkarätigen und weltbekannten Künstlern zu besetzen.

Dies ist nicht nur wichtig für die HfK und deren künftige Studenten, sondern wirkt auch in die Szene. Wenn in diese Studienschwerpunkte der Zukunft nicht investiert wird, sinken wir mit dem konservativen Bereich nach unten und werden für auswärtige Studienbewerber immer unattraktiver. Die HfK Bremen ist die einzige Kunsthochschule dieser Republik, die sich durch eine enge Zusammenarbeit der beiden Fachbereiche Musik und Bildende Kunst auszeichnet. Hie Pagh Paan, Ostendorf und Koch-Raphael, dort: die zwei zu berufenden Medienkünstler. Besetzen wir diese beiden Stellen, dann hat Bremen die Chance Avantgarde, die Nummer EINS zu werden. Nutzen wir diese einmalige Gelegenheit nicht, sind wir noch nicht einmal Kreisklasse.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit für kluge Investitionen in die Zukunft: Vor einiger Zeit war Düsseldorf in NRW die Kunsthauptstadt, Köln war Diaspora. Gerade dort hat aber ein Kulturdezernent, namens Hackenberg begonnen, in die Museumslandschaft zu investieren. Wo Museen Geld haben, kommen Galerien, ziehen Künstler an. Heute ist Köln die Kunststadt in der Bundesrepublik Deutschland. Köln kennt kein ABM und keine soziale Künstlerförderung, trotzdem leben - nach Berlin - in Köln mehr Künstler als anderswo. Eine Schwerpunktinvestition, die sich gelohnt hat; nur ein Beispiel.

Es gibt auch Denkmodelle, die die Zusammenarbeit zwischen Theater und HfK betreffen. Man muß uns nur einmal zuhören und den willen haben, zu investieren und nicht von uns erwarten, daß wir Vorschläge machen, wie wir uns selbst amputieren. Unser Fehler ist es nicht, daß Jahrelang eine Gießkannenpolitik verfolgt wurde unter dem Motto „Jedem ein bißchen“, ohne jedes Konzept. Wir, die wir jeden Tag mit der Misere zu tun haben, sind bereit, mitzudenken in die Zukunft, sind bereit, sogar persönliche Opfer zu bringen und haben dies gezeigt in der Vergangeheit. Aber damit wir handeln können und in eine sinnvolle zukunft gehen können, heißt es ersteinmal: BRINGFRIEDE; BRING' KNETE.

Jürgen Waller

HfK Bremen

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