2000 Anschläge - der Gastkommentar: Theatersarg?
■ Warum mehr als 5000 Mark verdienen?
Sparen als Chance – so überschrieb Dirk Asendorpf am vergangenen Montag seinen Kommentar zur Situation im Bremer Theater. Er scheint nicht eben ein Kenner des Sachverhaltes und präsentiert das flache Vorurteil: Geringe Zuschauerzahlen, weil der Künstler ,,sich in seiner Kunst am liebsten von keiner Öffentlichkeit stören lassen will“. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen derer, die da sagen: Alles bleibt wie es ist, dafür billiger und populärer. Dabei steht doch wohl außer Frage, daß wirtschaftlicher Erfolg und Einschaltquote alleine nichts über die Qualität von Kunst aussagen.
Im Stadttheater stimmen jedoch Kostenentwicklung und Subventionsaufkommen nicht überein, fixe Strukturen lassen keinen Spielraum für Personalpolitik, andere Produktions- und Organisationsweisen. Wohl auch wahr: daß Milliardenloch in der Staatskasse. Dieses aber mit Einsparungen bei der Kultur stopfen zu wollen, ist mehr als nur der Suppe das Salz vorzuenthalten. Dirk Asendorpf scheint da auf die Verelendungstheorie zu setzen, wenn er sagt, ,,die Drohung mit dem Rotstift scheint das einzige Stück zu sein, das die Kundschaft des Kulturbetriebes noch wirklich provoziert.“
Es müssen neue Konzepte gedacht werden, die Handlungsspielräume und Zukunftsinvestitionen erlauben, weg von der Besitzstandswahrung. Es gibt keinen Grund, warum Dienstleistungsberufe wie Politiker, Beamte, Lehrer, Künstler etc. mehr als 5000,-- DM verdienen.
Um einen Ausgangspunkt für die Theaterdebatte zu haben, die nicht die Strukturdebatte mit der Spardebatte verwechselt und das tödliche Skalpell ansetzt – weil zu schwer in der Therapie dafür leicht in den Sarg – ,schlägt die bremer shakespeare company folgendes Abkommen vor:
1. Bis zum Ende der Vertragszeit Pierwoß werden von politischer Seite alle Verträge eingehalten, denn was da mit Kollegen passieren soll, ist eine Sauerei. Man kann nicht einfach Sparten schließen, Verträge brechen und die Leute auf die Straße setzen. Arbeitslose gibt es in Bremen genug! Unter den jetzigen Rahmenbedingungen ist wahrscheinlich nicht mehr zu sparen, ohne eine Sparte zu zerstören. Bis zum Ende dieser Vertragszeit, spätestens aber bis zum Ende der Legislaturperiode, 1999, haben die städtischen Bühnen als Vorreiter für die gesamte deutsche freie und etablierte Theaterszene ein Kultur-Modell zu erarbeiten, was den finanziellen Lebensverhältnissen einer zukünftigen Gesellschaft entspricht.
2. Die Politiker haben die Pflicht, bis 1999 den Kulturhaushalt zu erhalten, bzw. an einigen Bereichen zu erweitern, endlich eine Ausgewogenheit zwischen Freien und Etablierten herzustellen, denn es gibt mehr gefährdete Theater in Bremen als nur die städtischen Bühnen. Weiter hat die Politik bis zum Ende der Legislaturperiode 1999 politische Modelle zu entwickeln und durchzusetzen, die nicht die Zerstörung der Kultur bedeuten, sondern politische und gewerkschaftliche Strukturen zu schaffen und auch selber in den Parteien und im öffentlichem Dienst zu realisieren, die mehr Freiheiten, mehr Rechte, mehr Transparenz, mehr Kultur, mehr Selbstbestimmung, mehr Demokratie bedeuten. Diese Modelle müssen kompatibel mit den dem Theater angemessenen Strukturen sein. Denn nur mit politischer Rückendeckung lassensich diese Theaterreformen durchsetzen, da ist Mut von beiden Seiten notwendig. Es können nur Strukturrefomen von den Theaterleuten gefordert werden, die politisch (z.B. Änderung der Tarifverträge) von der Politik auch durchgesetzt sein wollen.
Strukturreformen zu wollen, weil sie billiger sind ist ein falscher Ansatz. Sie sind nötig, weil sie für eine zukünftige demokratischere Gesellschaft inhaltlich notwendig sind.
Die bremer shakespeare company verbittet sich, von der Senatorin oder der Kultur-Behörde als Sparkommissare bzw. als Sparmodell mißbraucht zu werden – schaut mal, wie billig und trotzdem so erfolgreich, mit so vielen Zuschauern, wie die das machen – wir wollen endlich vernünftig bezahlt werden. Andererseits haben wir nicht das geringste Interesse, eine blinde Solidarität mit einem überkommenem Theatersystem mitzutragen. Deshalb fordern wir dieses Abkommen, damit über Strukturreformen in Politik und Theater endlich nicht nur geredet wird. Im Theater das Unmögliche nicht nur denken, sondern auch tun.
Am 17.12.95 um 13 Uhr lädt der Kulturrat Bremen zu einer Veranstaltung mit der Senatorin Bringfriede Kahrs in das Theater am Leibnizplatz ein. Hier kann die Auseinandersetzung über die kulturpolitische Entwicklung der gesamten Bremer Kultur beginnen.
Im Namen des Ensembles der bremer shakespeare company
Renate Heitmann
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