20 Prozent Schieflage: Der Fußballonkel
■ Andi Herzog im Diskurs über seinen Zeh
Die ach so souveräne Frauenstimme des automatischen Ansagedienstes des Focke-Museums gerät ins straucheln. Nach den üblichen Informationen des Hauses verkündet sie: „Am Dienstag, -Pause- den 16.3., -längere Pause- erzählt Andreas Herzog die Geschichte seines Gipsfußes.“
Hinter den geschichtsträchtigen Mauern befindet sich derzeit die Ausstellung 100 JAHRE WERDER BREMEN, und zum Programmpunkt „Das besondere Objekt“ gabs die Geschichte vom großen Fußballonkel. Auf einem runden „Präsentationshocker“, umringt von Mikrofonen und laufenden Kameras, stand eben jene, einseitgesägte Gipsplastik, um die es gehen sollte, und die ca. 122,5 Fußballfetischisten in ihren herzöglichen Bann zog. Dahinter setzten sich endlich Andi und Nocheiner. Der Namenlose begrüßte die Gäste: „Ich bin kein Mediziner.“ Wo-rauf Herzog forsch bemerkte: „Ich bin auch kein Mediziner.“
Tja, wie war das denn nun, Herr Mannschaftskapitän? Herzog, der sich dieses Highlight seiner Karriere bestimmt nicht ausgedacht hat, versuchte wacker, mit allen zehn Fingern in Augenhöhe zu simulieren, welcher Knochen, wie denn und warum. Ein Sesamknochen nach hinten, ein Sesamknochen nach vorne. Dramatisch wird es beim Sehnenriß in Weißrußland: Fäuste machen ein Gelenk!
Spezialisten aus dem Ausland mußten her. Ein Amerikaner, ein Schotte und ein Österreicher stehen vor einer Reihe Röntgenbilder. Sagt der Ami ...
Soweit so gut. Den vier Zentimeter langen Nagel, den die Ärzte Herzog präsentierten, kommentierte Andi temperamentvoll: „Damit kann man bestenfalls einen Kasten zusammennageln.“ Gesagt, getan – und Herzog durfte drei Monate nicht auftreten.
Andreas Herzog zuzuhören, kann übrigens auch sehr schmerzhaft sein. Sein Tonfall ist so trocken wie der Gipsfuß auf dem Tisch. Es entsteht der Wunsch, ihm Gesangsunterricht zu spendieren.
Nach vielen interessanten Fragen („Können Sie darauf aufpassen, daß keiner drauftritt?“), eine Frage nach dem ungewöhnlich guten Zustand des Gipsfußes.
Andi: „Der stinkt a bissel.“
Die Fans fanden's gut und wie auf einer Beerdigung trotteten sie Herzog und dem besonderen Objekt hinterher, zurück zur vorerst letzten Bettung – eine Glasvitrine in einer finsteren Ecke der Ausstellung. Ein kleines Schild verewigt Kunst und Kultur: „Gipsfuß von Andreas Herzog 1998“.
Carl-Heinz Otto Schäfer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen