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■ 20 Peitschenhiebe für Irans IntellektuelleOpfer eines Machtkampfes

Am 27. Januar entzog ein Teheraner „Gericht für Presseangelegenheiten“ der iranischen Literaturzeitschrift Gardun (Himmelsgewölbe) die Lizenz. Ihr Herausgeber, der Literat Abbas Maarufi (38) wurde zu 20 Peitschenhieben, sechs Monaten Haft und einem zweijährigen Berufsverbot bestraft. Begründung: „Veröffentlichung von Lügen“ und „unmoralischen“ Gedichten sowie Beleidigung des geistlichen Führers des Iran, Ajatollah Ali Chamenei.

Für letzteren Vorwurf mußte ein angeblicher Vergleich Chameneis mit dem Schah herhalten, hinter den „Lügen“ verbirgt sich ein Artikel über die Zunahme von Depressionen in der iranischen Bevölkerung. Amnesty international, die Journalistenorganisation Reporters sans frontières und das PEN-Zentrum Bundesrepublik Deutschland protestierten gegen das Urteil.

Gardun war eines der letzten Sprachrohre kritischer Intellektueller im Iran. In der Redaktion

SaidFoto: Anita Schiffer-Fuchs

wurde 1994 maßgeblich am Zustandekommen des „Textes der 134“ gearbeitet.

In dem offenen Brief protestierten 134 iranische Schriftsteller gegen die Zensur in der Islamischen Republik – einer der Hauptinitiatoren war Abbas Maarufi. Seine Verurteilung erfolgte kurz vor den iranischen Parlamentswahlen am 8. März. Dann erhoffen sich die theokratischen „Falken“ um Ali Akbar Nateq Nuri einen weiteren Sieg über die Wirtschaftsliberalen um Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani.

Dieser muß im Herbst dieses Jahres ohnehin abtreten. Bei den dann anstehenden Präsidentschaftswahlen darf er nicht mehr kandidieren, weil er bereits zwei Amtsperioden hinter sich hat und die iranische Verfassung keine dritte zuläßt. Die Rafsandschani- Anhänger können bisher keinen neuen Kandidaten vorweisen. Anders ihre Gegner: Deren Favorit heißt Nateq Nuri. Gardun und ihr Herausgeber seien Opfer dieses Machtkampfes geworden, meint der iranische Schriftsteller Said, der sich im Namen des PEN für seinen Kollegen Maarufi einsetzt.

Said (49) selbst lebt seit 1965 in der Bundesrepublik Deutschland. Zuerst machte ihm Schah Reza Pahlewi sein Leben im Iran unerträglich, dann Ajatollah Chomeini. Said veröffentlichte Hörspiele und Gedichte auf Deutsch, zuletzt im vergangenen Jahr das autobiographische Werk „Der lange Arm der Mullahs. Notizen aus meinem Exil“ (C. H. Beck) und dieses Jahr Liebesgedichte unter dem Titel „Sei nacht zu mir“ (Heliopolis, Tübingen). Thomas Dreger

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