1.SEPTEMBER 1989

 ■  KRIEGSGEWINNLER

Noch bevor der Gedenk-Drei-Tage-Krieg um den 1.September 1939 überhaupt begonnen hat, hat das Deutsche Historische Museum ihn schon gewonnen. In Ermangelung spannender sonstiger Veranstalter hat die Geschichtsver- und Entsorgungs GmbH & Kohl KG eine ganze Reihe illustrer Persönlichkeiten zwecks Beteiligung am Versuch über den Umgang mit Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg gelockt.

Der Umgang mit dem Versuch des Zweiten Weltkriegs in Erinnerungen dauert drei Tage. Eröffnet wird der Zweite Weltkrieg um die erinnernde versuchte Umgehung morgens pünktlich um 4 Uhr 45. Da der Erlebnisraum Gleiwitz dem DHM nicht zur Verfügung steht, konnte man offenbar der kriegerischen zweiten Versuchung im Krieg um den Umgang nicht wiederstehen, zur authentischen, besten Erlebniszeit mit einer Ausstellung im Luftschutzkeller des DHM in der Windscheidstraße zurückzuschießen.

Kaum 30Minuten nach dem ausstellerischen Erstschlag folgt ebendortselbst eine „Einführung in die Tondokumentation Der unentrinnbare Lautsprecher“ mit radiophonischen Dokumenten aus dem Jahr 1939 zusammengestellt von Hanns Zischler und Sibylle Lewitscharoff. Schon eine Stunde nach Kriegsbeginn geht's gleich weiter mit der „Tiefenenttrümmerung“, nämlich mit Lesungen aus Tagebucheintragungen zusammengestellt von Beate Bauer, Ingrid Hammer und Peggy Lukac. Zwischen 7 und 9 Uhr morgens wird sichs schließlich bei der „Offenen Gesprächsrunde“ recht angenehm plaudern lassen, bevor um 9Uhr wieder „Der unentrinnbare Lautsprecher zuschlägt“, beziehungsweise im Klick nebenan der „Krieg im Kino“ in Form von einschlägigen Wochenschauen ausbricht, ein Ereignis, das sich an den folgenden Tagen noch mehrfach wiederholt.

Denn schließlich geht's jeden Tag durch bis Mitternacht wobei man allerdings am Samstag erst um 9 Uhr 30 und am Sonntag erst um 10Uhr beginnt - und zwar sowohl in den Ausstellungsräumen und auf der Probebühne des DHM wie auch im Klick und im Arsenal - Kino als Nebenkriegsschauplatz. Da wird ohn‘ Unterlaß diskutiert, kommentiert, illustriert und analysiert, wird vorgetragen, vorgelesen und vorgeführt und zwar Namen, Filme, Thesen, Texte, Tagebücher - bis zum physischen Zusammenbruch am 3.September, wenn nach der abschließenden Übertragung der Fernsehproduktion „Führer, befiehl, wir folgen - Der deutsche Soldat im Zweiten Weltkrieg“ um 22 Uhr 45 nochmal eben eine „Diskussion zum 1.September 1939“ stattfindet.

Ansonsten sind als allgemeine „Diskussionsteilnehmer“ 24 Männer und 1 (jawohl: 1!) Frau gebucht:

Hans Barkhausen, Koblenzer Filmarchivar; Bernd Böhmel, Dresdener Schriftsteller; Peter Bucher, Koblenzer Filmarchivar; Hans Brecht, NDR; Adolf Endler, Leipziger Schriftsteller; Erik Grawert-May, Berliner Schriftsteller; Gerhard Gronefeld, ehem. PK-Fotograf; Claus Hansmann, Münchener Grafiker und Fotograf; Rudolf Herz, Münchener Fotohistoriker; Joe J. Heydecker, Wiener Fotograf; Walter Kempowski, Schriftsteller; Diethart Kerbs, Berliner Fotohistoriker; Friedrich Kittler, Bochumer Medienforscher; Hans Christoph Knebusch, ZDF; Reinhart Kosselleck, Bielefelder Historiker; Erich Kuby, Münchener Schriftsteller; Sabine Künstling, Bonner Volkskundlerin; Martin Loiperdinger, Münchener Kommunikationswissenschaftler; Heiner Müller, DDR-Dichter; Erich Ringelmann, ehem. PK-Kameramann; Bernd Sösemann, Berliner Kommunikationswissenschaftler; Timm Starl, Frankfurter Fotohistoriker; Wolfgang Storch, Berliner Schriftsteller und schließlich Peter Wapnewski, Berliner Germanist.