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1988 für Aborigines ein „Jahr der Trauer“

■ Einladung zur 200–Jahr–Feier eine „Beleidigung“ / Europäische Invasion „größtes Unglück aller Zeiten“ / Zwei Minister schließen sich dem Boykott der Schwarzen an / Für 26. Januar in Sydney Protestmarsch geplant / „Europäische Invasion größtes Unglück aller Zeiten“

Canberra (dpa) - Dem am Neujahrstag begonnenen Boykott der schwarzen Eingeborenen gegen die Feierlichkeiten zum zweihundertjährigen Jubiläum der europäischen Besiedlung Australiens haben sich auch zwei Minister angeschlossen. Am Montag erklärte der Bundesminister für Eingeborenen– Angelegenheiten im Labour–Re gierungskabinett, Gerry Hand (42), er werde aus „moralischen Gründen“ an keiner Jubiläums– Veranstaltung teilnehmen, da die Aborigines, die er vertrete, „nichts zu feiern“ hätten. Premierminister Bob Hawke sagte, er respektiere die Entscheidung des Ministers. Vor Gerry Hand hatte schon der Labor–Landesminister für Eingeborenen–Angelegen heiten im Bundesstaat Neusüdwales, Ken Gabb, seinen Boykott der „weißen“ Geburtagsfeiern erklärt. In Melbourne demonstrierten die Aborigines am Montag gegen die eingelaufenen 50 Windjammer aus 15 Ländern, die ebenfalls aus Anlaß des Jubiläums gekommen waren. Am 19. Januar wird in Sydney auch das deutsche Segel schulschiff „Gorch Fock“ erwartet. Die sich über das ganze Jahr hinziehenden aufwendigen offiziellen Feierlichkeiten begannen am vorigen Wochenende. Gleichzeitig erklärten die Aborigines das Jahr 1988 zu einem „Jahr der Trauer“, weil sie die Ankunft der Weißen auf ihrem Kontinent als eine Invasion ansehen. Tausende ihrer Vorfahren waren beim Widerstand gegen die Siedler umgekommen. Etwa 10.000 Schwarze aus allen Teilen Australiens wollen am 26. Januar in Sydney an einem Protestmarsch gegen die Ankunft der nachgebildeten ersten Flotte teilnehmen und die „Aufführung“ der Landung von 700 britischen Sträflingen und 300 Soldaten und Beamten, mit der vor 200 Jahren die europäische Besiedlung begann, zu stören versuchen. In Darwin marschierten sie am Neujahrstag zu einer ihrer heiligen Stätten. „Es ist eine Beleidigung für uns, daß man uns zur Teilnahme am Jubiläum eingeladen hat, damit wir die Invasion unseres Landes mitfeiern“, erklärte ein Sprecher der Aborigines, Gary Foley. „Die europäische Invasion unseres Landes ist das größte Unglück aller Zeiten, das das Volk der Aborigines getroffen hat.“ Die schwarzen Staaten bevölkerten den Südkontinent schon 40.000 Jahre vor der Ankunft der „ersten Flotte“ im Jahr 1788, mit der sich Großbritannien einiger Hundert seiner Sträflinge entledigte, und der nachfolgenden Schiffe, die auch freiwillige Siedler mitbrachten.

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