150 Jahre FC Sheffield: Die Pioniere
Der älteste Fußballklub der Welt wird 150 Jahre alt. Der FC Sheffield spielt zwar nur in Englands achter Klasse und hat erst einen Titel gewonnen, aber darauf kommt es nicht an.
In der Northern Premier League, First Division South wird zwar nur achtklassiger Fußball gespielt, aber der ist wenigstens kommerziell unverdorben. Das schätzen Fußballfreunde wie David Dean. Vor über zehn Jahren schon hatte er genug vom englischen Profifußball. Die horrenden Eintrittspreise, die Abschaffung der Stehplätze, das wollte er nicht länger mitmachen. Dean suchte eine neue Heimat - und fand den FC Sheffield. Der hatte Unterstützung auch bitter nötig, denn eigentlich kam kaum jemand zu den Spielen.
Dean besorgte einen Union Jack, und der hängt seitdem bei allen Heimspielen hinter der Torauslinie. Auf ihm steht "Sheffield FC", und hinter ihm stehen Dean und ein paar Freunde - der Fanclub "Behind the Flag", den Dean einst gleich mitgründete. Große Gesänge stimmen sie nicht an, aber sie genießen trotzdem die gemeinsamen Nachmittage mit ehrlichem Fußball. Im Sommer war der Genuss besonders groß. Da stieg der FC Sheffield auf, von der Neunt- in die Achtklassigkeit.
Es ist nicht schlimm, wenn man von diesem Verein noch nichts gehört hat. Spezialisten mögen mit Sheffield Wednesday oder Sheffield United vertraut sein (derzeit beide zweitklassig), aber einen FC aus der Stadt am Don zu kennen, das ist echtes Insider-Wissen. Sogar in der Stahlmetropole selbst zucken viele Menschen mit den Achseln.
Gut 300 Fans pilgern zu den Heimspielen des FC Sheffield ins Bright Finance Stadium, in der Sindelfingen-Partnerstadt Dronfield, etwas südlich von Sheffield. Das sind schon deutlich mehr als in jener Zeit, in der Dean den Verein für sich entdeckte. In jüngster Zeit mischen sich zunehmend Besucher ins ansonsten lokale Publikum, die von auswärts kommen und vor allem eins wollen: dem ältesten Fußballverein der Welt einmal bei der Arbeit zuschauen.
In diesem Jahr jährt sich die Gründung des FC Sheffield zum 150. Mal, und die PR-Maschine, die nicht zuletzt die auswärtigen Besucher angelockt hat, läuft längst auf Hochtouren. Heute, am 24. Oktober, dem eigentlichen Geburtstag, erreichen die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt. Zum Gala-Dinner werden etliche Fußballprominente erwartet, darunter auch Fifa-Boss Sepp Blatter, der zu den knapp 1.000 passiven Mitgliedern des Veteranen-Clubs zählt. Kurz darauf wird sich sogar Inter Mailand die Ehre geben.
Einen Fußballverein gründen? Da musste man erst mal drauf kommen. Der Legende nach waren es Cricket-Begeisterte, die nach einem Sport suchten, um sich auch im Winter fit halten zu können. Schon Mitte der 1850er-Jahre spielte dabei das Kicken mit einem Ball eine Rolle. Am 24. Oktober 1857 schließlich machten der Weinhändler William Prest und der Silberfabrikant Nathaniel Creswick die Sache formell und gründeten den FC Sheffield. Leibliche Nachfahren der zwei werden ebenfalls zum 150-Jahres-Dinner erwartet.
"Fußball wird in praktisch jedem Land der Welt gespielt, Millionen Menschen schauen dabei zu, dank Sheffield." So formuliert es Richard Tims, der Vorsitzende des FC Sheffield. Steve Hutton, der im Auftrag des Vereins für eine örtliche Werbeagentur die eifrige Pressearbeit des Vereins macht, glaubt, "dass der FC Sheffield für jeden so etwas wie ein Zweitverein sein könnte". So wie für ihn selbst. Neben seiner Liebe zu Sheffield Wednesday bleiben dem PR-Mann auch Sympathiekapazitäten für den FC Sheffield.
Die Mitgliedschaft kostet 25 Pfund im Jahr. Das sichert vier Freikarten pro Saison, die automatische Versorgung mit dem Newsletter - und vor allem: eine namentliche Erwähnung auf einer Wand im Stadion. Dort steht man dann in einer Reihe mit dem Fifa-Chef. "Unsere Mitglieder kommen aus aller Welt, von Australien bis Kanada", freut sich Richard Tims.
Die Sheffielder hatten mit der Vereinsgründung keineswegs das Kicken an sich erfunden. Den Reflex, gegen etwas Rundes zu treten und dann hinterherzulaufen, kennen Menschen offenbar schon seit Urzeiten. Und auch Universitätsmannschaften gab es in jener Zeit sogar schon, aber eben keinen echten Fußballverein. Was ebenfalls fehlte im England der 1850er-Jahre: einheitliche Regeln für das Spiel auf zwei Tore. Heute sieht sich der FC Sheffield auch als Pionier in Sachen Regelwerk. "Die Latte zwischen den Pfosten, der Eckball, Freistöße bei Fouls oder die Vorgaben für einen korrekten Einwurf" - all dies seien Erfindungen aus Sheffield, sagt Tims über den Sheffield Code. Eine Behauptung, die im englischen Fußballverband (FA) freilich nicht ganz unumstritten ist; 1870 begrenzte die FA etwa die Zahl der Spieler auf elf.
"The oldest football club in the world" und "Sheffield: where football kicked off" sind die Slogans, mit denen der FC Sheffield derzeit auf sich aufmerksam macht. Besondere Aktionen, etwa eine Spende von mehr als 2.500 gesammelten Paar Fußballschuhen für fußballbegeisterte Kinder in Südafrika oder internationale Auftritte des Achtligisten im Sommer 2007 in Hongkong und Südafrika, sorgen ebenso für gesteigerte Aufmerksamkeit.
Im Zuge des 150-jährigen Geburtstags hat der Verein die Zahl und Liquidität seiner Sponsoren deutlich steigern können. "Vor einigen Jahren hatten wir praktisch keine Geldgeber. Das ist heute ganz anders", sagt Tims. Es bleibt abzuwarten, wie sich das im 151. Jahr des Bestehens entwickeln wird. Denn für manche Investoren zählt vor allem mediale Aufmerksamkeit, auch über die Region hinaus. Es könnte aber sein, dass sich das Interesse wieder legen wird. Und der 200. Jahrestag ist noch lange hin.
Da hilft vielleicht nur der sportliche Erfolg. Der letzte echte Coup liegt schon 103 Jahre zurück. 1904 wurden die Sheffielder englischer Amateurmeister. Im Moment läuft es immerhin ganz gut. Nach dem Aufstieg übernahm "der Club", wie der FC Sheffield unter Eingeweihten heißt, auch in der neuen Spielklasse die Tabellenführung. Es ist nicht nur diese Namensparallele, die Fans des 1. FC Nürnberg für die Sheffielder einnehmen könnte. Wie bei den Franken sind auch die Vereinsfarben des FC Sheffield Schwarz und Rot.
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