piwik no script img

14 Tage Polizeihaft: Bayern macht's möglich

■ Verfassungsgerichtshof lehnt die Klage gegen die Ausdehnung des „Unterbindungsgewahrsams“ ab

München (taz) - Im Freistaat können auch künftig Personen ohne Haftbefehl nur aus dem Verdacht heraus, daß sie eventuell eine Straftat begehen, bis zu 14 Tagen in Polizeihaft genommen werden. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wies gestern die Popularklage zweier Münchner Anwälte zurück, die sie im Juli letzten Jahres gegen die Ausdehnung des Unterbindungsgewahrsams von 48 Stunden auf bis zu zwei Wochen eingereicht hatten. Diese Regelung war im März 1989 nach monatelangen heftigen Debatten vom bayerischen Landtag mit einer Änderung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) verabschiedet und allgemein als „Lex Wackersdorf“ gewertet worden. So wurden in der Begründung zum Gesetzentwurf die Aktionen gegen die Wiederaufbereitungsanlage im Herbst 1987 herangezogen: ein längerer Polizeigewahrsam soll für derartige Fälle künftig verhindern, daß „Störer“ nach ihrer Entlassung gleich wieder an Aktionen teilnehmen. Die beiden Kläger, die Rechtsanwälte Bernd Tremml und Rudolf Riechwald, hielten dies jedoch für keine „präventiv-polizeiliche Maßnahme“ mehr, da ein tagelanger Unterbindungsgewahrsam kein bloßes „Festhalten“ zur Sicherung vor Straftaten ist, sondern bereits in den Bereich des Strafrechts fällt: In Bayern dürften Polizisten also kompetenzwidrig zugreifen, wo der Grund für einen Haftbefehl fehlt. Außerdem fanden sie es unzumutbar, daß der polizeiliche Gewahrsam bereits zur Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit angeordnet werden kann. Für Personen, die in der Vergangenheit als Störer eingestuft worden seien, bedeute die Möglichkeit der Haft ohne Grund schließlich die Aberkennung ihres Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof mochte sich dieser Begründung freilich nicht anschließen. Er beharrte auf der Gesetzgebungskompetenz der Länder im allgemeinen Polizei und Sicherheitsrecht. Zwar betonte das Gericht den „hohen Rang“ der individuellen Freiheitsrechte - die aber dennoch aufgrund der bloßen Möglichkeit von Ordnungswidrigkeiten eingeschränkt werden könnten. Für das Aktionsbündnis gegen den Unterbindungsgewahrsam, das die Popularklage eingereicht hatte, kündigte Rechtsanwalt Bernd Tremml den Gang zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an. Dort wird allerdings nur die Zusammensetzung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes - die neun Richter, die die Popularklage abwiesen, wurden allesamt von der CSU mit einfacher Mehrheit gewählt - Thema sein. Gegen einen Unterbindungsgewahrsam von mehr als 48 Stunden kann nämlich nur ein Betroffener klagen. Und den gibt es in Bayern (bis jetzt) noch nicht.

Kerstin Hartig

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen