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100 tage stölzlRegieren per Monolog

Seit 100 Tagen ist Berlin wieder eine Monarchie. Zumindest der Kulturbetrieb hat wieder einen kleinen König. Wenn sich im Opernhaus der Vorhang zur Premiere hebt, schweifen die Augen des Publikums nicht zur Bühne, sondern dorthin, wo einst die Königsloge war. Dort sonnt sich Senator Christoph Stölzl in seiner neuen Rolle als Gönner der hauptstädtischen Musen.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

Dass er im neuen Amt nicht nur repräsentieren, sondern auch hart arbeiten muss, hat Stölzl längst schmerzhaft erfahren. Nächtelang studierte er Akten, prägte sich Zahlenkolonnen ein. Auch fasst sich der einstige Museumsdirektor beim Sprechen deutlich kürzer als früher. Redebeiträge von weniger als einer halben Stunde Dauer sind in den Bereich des Möglichen gerückt.

Demokratie sei „government by discussion“, sagen die Angelsachsen. Stölzl hat das Prinzip abgewandelt. Er regiert per Monolog. Erst ermattet er Abgeordnete oder Journalisten mit Ausführungen über das Kleid der englischen Königin oder über Sieghard von Köckritz, den früheren Kulturchef im Innenministerium. Dann braucht er kritische Nachfragen kaum noch zu fürchten.

Seine starke Stellung bezieht Stölzl indes nicht von Gottes Gnaden, sondern aus den Umständen seiner Berufung. Nach Christa Thobens Rücktritt können sich die schwarz-roten Koalitionäre eine weitere Kulturpleite nicht leisten, und das böse Erwachen hat auch die Reformbereitschaft manch eines Intendanten erhöht. Durchsetzen kann Stölzl die Veränderungen allerdings nicht von der Königsloge aus. Die nötige Konfliktfähigkeit muss er erst noch unter Beweis stellen. Mit Reden allein ist es dann nicht mehr getan.

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