100 Prozent kubanisch: mijaíl, dayesi, yusimí : Die „Generation Y“ auf dem Schleichweg der Ausdrucksfreiheit
Für Träume und für den Magen sind die 90er-Jahre auf Kuba harte Jahre. Der Zusammenbruch des Ostblocks macht sich als „Sonderperiode in Friedenszeiten“ bemerkbar, und die Eltern wechseln plötzlich ihre alten Professionen gegen neue „Berufe“: „boteros“, private Taxifahrer, „parqueadores“, Parkplatzwächter, oder „jineteras“, die einen exklusiven Service nur für Touristen anbieten. Man muss neue Mythen erfinden, und neue Helden werden dringend gebraucht. In diesen „Sonderzeiten“ himmelt man Jesus an und betet zu afrikanischen Gottheiten. Man verdient Pesos, kauft Dollars, geht shoppen und trägt Nike-Schuhe zur Schuluniform.
Und alle heißen auf einmal Yuniesky, Yumey, Yaikel, Yusimí (you see me?). Was ist denn schon kubanisch, wenn diese Namen kubanisch sind? Was hat es mit dieser „Generation Y“ auf sich? Woher kommt diese Zuneigung für den Buchstaben Y, der im Spanischen ein Exot ist? Vielleicht hat die Ausdrucksfreiheit damit einen Schleichweg gefunden, die Fantasie sich gegen die Monotonie des Alltags durchgesetzt, und es hat etwas mit dem Einfluss des übermächtigen Nachbarn zu tun, den man „La Yuma“ und nicht Amerika nennt.
Die Generation davor hatte es noch etwas leichter mit den Namen – im weiten Feld zwischen dem großen Freund und dem nahen Feind. Wer nicht Vladimir, Mijaíl oder Tatiana hieß, wurde Maikel, Dayana oder Miladis genannt. Dazu kamen die Namen der Revolutionshelden. Zusammen füllten sie die Anwesenheitslisten in den Schulen. Wenig später sahen die fröhlichen Pioniere, die jeden Morgen die Hymnen und Parolen wiederholten, machtlos zu, wie der „Parque Lenin“ mit seiner „Montaña Rusa“, dem „russischen Berg“ (Achterbahn auf Kubanisch), in dem man so viele Sonntage verbracht hatte, in Stücke zerfiel.
„Kuba ist gleich Revolution“, heißt es heute noch. Doch Kuba ist mehr als seine Geschichte, und die Kubaner müssen sich ihre Wirklichkeit jeden Tag aus recycelbaren Materialien und Restposten neu basteln. In meiner Schule hieß ein Mädchen Dayesi (dreimal „Ja“, auf Russisch, Englisch und Spanisch), und ihre Eltern wussten vermutlich nicht, dass sie damit eine formelhafte Definition vom Kuba der 80er-Jahre lieferten. In den Eigennamen schreibt sich das facettenreiches Gesicht einer ganzen Nation ein. MARIA ELENA
Die Autorin, Jg. 1978, ist eine in Deutschland lebende kubanische Philosophin. Mehr zur „Generación Y“ unter www.desdecuba.com/generaciony