piwik no script img

10. Todestag von FalcoEhret sein Andenken!

Er war Superstar, er war populär, er war so exaltiert. Wie er einst Wolfgang Amadeus Mozart besang, spricht man heute über Falco: Erinnerungen.

Geliebt bis über den Tod hinaus: Falco Bild: dpa

JAN FEDDERSEN (50): Auf den ersten Blick: ein Kotzbrocken. Typisch austriakisch. Marke: Herrenmensch und Lautsprecher. Ein Mann, der winters gern Skirennübertragungen guckt und die Welt verschworen wähnt, sind am Ende von den besten zehn Plätzen neun durch Fahrer aus Tirol, der Steiermark, Kärnten oder dem Salzburger Land belegt. Falco war diese Typ. Ein hemmungsarmer Darsteller in eigener Sache. Wie alle seine Landsleute, ein später Habsburger, dessen Muskeln längst atrophiert sind. Das Kaiserreich, das in der Ära vor Sarajevo vom Schwarzen Meer bis zur Adria reichte, ist vorbei. Da ist nur noch ein Land voll Gebirgen und mit einer Stadt, deren Architektur imperial wirkt. Mit Menschen, die immer zwei Spuren zu laut sprechen und fies. Qualtinger wusste das, der Kreisler weiß das noch - und der André Heller wusste es immer zu verspotten.

Falco aber war ein Gebrochener, ein Ironiker der politischen Sorte. Das Lied, auf das es ankommt, will man seinen Größenwahn, seinen Pomp und seinen unbedingten Willen zur Prominenz verstehen, ist "The Sound of Music", 1986, im Herbst seiner Superwichtigkeit, als Popmarke veröffentlicht. Diese Geigen, überhaupt dieses sinfonische Intro Das war besser als alles, was damals an leidenschaftlicher Tonentäußerung veröffentlicht wurde, ohne jede erkennbare Ironie, weit, sehr weit weg von dem, was später manche nicht so gemeint haben wollten.

Das war Falco

Geboren: 19. Februar 1957 in Wien als einziger Überlebender von Drillingen, eigentlich als Johann Hansi Hölzel, auch bekannt als "T>>MA"

Statement: "Ich bemüh mich, mi zu benehmen wie a Mensch, und versuche, niemandem auf die Füße zu steigen. Und wann mir ana auf die Füß steigt, dann rauch i ma a Zigarettn an und blas erm um."

Anfänge: "Umspannwerk" (1964), "Drahdiwaberl" (1978-1983), "Spinning Wheel" (1978), "Halluzination Company" (1977-1979)

Seine Hits: "Der Kommissar", 1981 (erster Hit), "Rock Me Amadeus", 1985 (größter Hit), "Jeanny", 1985/1986 (Nr.-1-Hits u. a. in Skandinavien), "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da", (als T>>MA) 1995, "Out of the Dark (Into the Light)", 1998

Seine Flops: "Junge Römer", 1984, Tournee von "Wiener Blut", 1988, "Data de Groove", 1990, "Nachtflug" 1992

Seine Skandale: Spielverbot für "Ganz Wien (… ist heut auf Heroin)", Boykotts und Schmähungen für "Jeanny" wegen Frauenfeindlichkeit

Seine Versuche im Film: "Formel Eins - Der Film", 1985, "Geld oder Leber", 1986, "Kottan ermittelt", 1981

Seine Ehren (Auswahl): Goldene Europa 1982 und 1986, Echo für "Lebenswerk" 1999, Amadeus Austrian Music Award 2000 und 2007

Seine Begleiter: Maria Hölzel (Mama), Markus Spiegel (sein Entdecker), Robert Ponger (Produzent), Rob und Ferdie Bolland (Produzenten), Isabella Vitkovic (Ehefrau), Katharina Bianca Vitkovic (ungeklärte Tochter), Sylvia Wagner (Lebensgefährtin), Caroline Perron (Freundin) und andere

Gestorben: 6. Februar 1998 bei Puerto Plata, bei einem nicht selbst verschuldeten Autounfall mit 1,5 Promille Alkohol, Kokain, Marihuana im Blut

Postum: "Falco-Stiege", Treppenaufgang im 5. Bezirk Wien-Margareten; "Verdammt, wir leben noch!", Biopic von Thomas Roth, in Österreich im Kino seit 7. 2. 2008;

Lektüre: "Falco war mein Vater", Buch von Katharina Bianca Vitkovic

Nein, Falco meinte immer alles genau so, wie es klang. Überbordend, überheizt, übertrieben mag man das nennen, aber in Wahrheit war es sein Herz, das überfloss, und zugleich sein Verstand, der sich empörte, über die Schludrigkeit, mit der das spießige, giftelnde Österreich Kurt Waldheim als Präsidenten selbst dann noch feierte, als der längst als Mittäter des Naziwesens enttarnt war.

Schon damals, lange vor seinem Unfalltod, war aber Falco es leid, mit den Mitteln der Unterhaltungsmusik Politik machen zu sollen. Musik ist Musik, hieß es seinerseits nur, und ihr Klang kann niemals einen gerechten Zorn ersetzen, mit dem die Nonchalance vor allem austriakischer Art aller braunen Vergangenheit zu bedenken zu sein hat. Dieser Johann Hölzel wollte die Republik der Heuchler und Beckmesser nicht. Nicht in der Popmusik, in der es zu viel schrammelte und schrummelte, sondern er wollte, wenn schon, denn schon, raumfüllenden, nicht sentimentalistischen Sound.

Falco hat sein Land, seine Heimat geliebt. Sein Herz wollte die Welt erobern, nicht mit Truppen, aber mit Musik, und doch beschlich ihn banges Heimweh schon bei diesem Gedanken, denn in der Fremde, jenseits Österreichs, fühlte er sich nie ganz zu Hause. Insofern repräsentiert er den modernen Österreicher, der kein Spießer sein will. Ehret sein Andenken!

NATALIE TENBERG (31): Uwe kam zum Kostümfest als Falco verkleidet. Zwar sah er eher wie ein kleiner Blues Brother aus, schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, weißes Hemd, Sonnenbrille, aber wir Kinder wussten, Uwe war Falco. Es war auch einleuchtend, denn er liebte Falco. Uwe war Falcos Krefelder Vorfront der unter Zehnjährigen. Meine Schwester hörte Madonna, "Material Girl", ich aber kopierte mir dank Doppelkassettendeck "Rock Me Amadeus". Stundenlang imitierten wir vor den Ohren des Kinderzimmermeerschweinchens das coolste, wenn auch leicht unmelodische, "Oh, oh, oh", das wir bis dahin je gehört hatten. Wir stolperten nicht über das Wort "Punk", oder "plastic money". Punks gab es ja am Neumarkt, und eine Kreditkarte hatten wir 1985 auch schon gesehen, es war "exaltiert", das uns ratlos machte. Was sollte das bloß sein?

Wir wussten es nicht, in unserer Umgebung fehlte ein Beispiel für diese Eigenschaft. Wir wohnten alle in den gleichen Reihenhäusern, trugen alle die gleiche Klamotten, unsere Eltern tranken Alt und gingen zu Gietz, um mit der SPD in den Mai zu tanzen. Nein, exaltiert kam in Krefeld-Fischeln nicht vor. Wer überdreht war, dem wurde attestiert, etwas mit den Nerven zu haben, wobei man das V wie ein W aussprach. Und nett gemeint war das nie. Das "exaltiert" aber hörte sich sehr erstrebenswert an. So anders, so elegant. Wer "exaltiert" sagte, gar Leute so beschrieb, der musste aus einer anderen Welt stammen, und das war Wien ganz sicher! Wir liebten, bewunderten und verehrten ihn dafür, noch ohne jeden Funken der Rebellion.

Zwar gingen Uwe und ich auch im nächsten Jahr zusammen auf das Gymnasium, luden uns gegenseitig ein, doch die enge Bindung, diese beruhigende Gewissheit der besten Freundschaft, verlief sich mit der aufkeimenden Pubertät. Zuletzt fand ich Uwe eher peinlich, genau wie ich die Falco-Phase gerne aus dem Sammelsurium des Erlebten gestrichen hätte.

Am letzten Schultag vor den Sommerferien hörte ich nahe meinem Elternhaus das Bimmeln der Straßenbahn, kurze Zeit später sah ich einen Rettungshubschrauber davonfliegen. Uwe starb auf dem Weg in die Klinik, und mir bleibt nur sein Eintrag in "Das ist meine Schulklasse". Liebster Song: alle von Falco.

ARNO FRANK (37): Seinen Bus in die Unsterblichkeit konnte er gar nicht verpassen. Der Bus war schneeweiß und kam mit hundert Sachen über die kuppenreiche Landstraße vom Flughafen nach Puerto Plata gefegt. Gestrüpp verdeckte die Einfahrt zum Parkplatz der Bar Turist Disco, als Hans Hölzel, am Steuer seines Mitsubishi Pajero, mit Alkohol, Kokain und THC im Blut, vom Parkplatz rollte - und sofort erwischt wurde, von der linken Seite. Erst nach neunzig Minuten gelang es der Feuerwehr, Falco aus dem völlig zerstörten Wrack zu schneiden. Er soll sofort tot gewesen sein. Weniger tröstlich ist, was die Ärzte später zu berichten wussten: "Der Brustkorb stark zerquetscht und von Schnittwunden übersät, die linke Körperhälfte entstellt, der hintere Teil des Kopfes eingedrückt, die Zähne ausgeschlagen, Arme und Beine gebrochen. Aber am schlimmsten war sein Gesichtsausdruck."

Schlimm war sein Gesichtsausdruck auch, als ich Falco knapp drei Jahre nach seinem Tod wiederbegegnete. Damals rief mich ein Bekannter an, der in Deutschland am Aufbau einer kommerziellen Website von Penthouse oder so arbeitete. Er habe da ein Angebot bekommen, aus dem Wiener Rotlichtmilieu. Es gebe da einen mit versteckter Kamera gedrehten Film, der angeblich Falco zeige. Beim Sex mit einer Prostituierten. Im Puff. Auf VHS. Für 4.000 DM, bar auf die Hand. Ob ich denn, so als potenzieller Kenner oder wenigstens Wiedererkenner von Falco, mir die Kassette mal anschauen wolle? Ich wollte, und so trafen wir uns kurz darauf in einem Filmstudio mit diesem schmierigen Zuhälter, der dafür extra mit dem Benz von Wien nach Berlin gereist war.

Der Film hatte seine Längen. Keine Schnitte, unbewegliche Kamera, wahrscheinlich hinter einem falschen Spiegel. Erst sah man eine langhaarige Halbnackte, wie sie auf dem Rand des Waschbeckens sorgfältig eine Linie Kokain auslegte. Dann betrat Falco in Begleitung eines Zuhälters das Zimmer. Hände wurden geschüttelt und Schultern geklopft, und dann blieb Falco mit der Dame allein. Erst zog er sich das Koks rein, dann die Socken aus. Es waren weiße Tennissocken, und er legte sie ordentlich auf eine Stuhllehne. Beide hockten auf dem Bett und rauchten, es sah aus, als würden sie dabei plaudern. Und als die Nutte endlich auf ihm herumritt, da lag Falco seltsam passiv unter ihr und starrte vollkommen unbeteiligt an die Decke, die ganze Zeit. Vielleicht vermutete er dort die Kamera, wer weiß. Es war jedenfalls ein trauriger Anblick. Und als ich das sagte, lächelte der Zuhälter milde: "Scho, owa so woa er hoid, der Hölzel. Wengsten isser gestoam wie a James Dean."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • BW
    bernhard wagner

    Was Jan Feddersen schreibt soll wahrscheinlich lustig sein, aber manche Klischees sind auch als lustig gemeinte recht 'deppad'. Auf so manche Österreicherinnen & Österreicher, die mir bislang begegnet sind, passen sie jedenfalls schlecht oder gar nicht. Auf L. Wittgenstein oder S. Freud u.a. auch nicht. Und diesen Waldheim fanden und finden mehrere Millionen Österreicherinnen & Österreicher peinlich. Die KommunistInnen von Graz - z.B. - ganz sicher.