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PRESSEFREIHEIT Der Fall Brender offenbart den politischen Einfluss aufs öffentlich-rechtliche Fernsehen. Jetzt fordern viele einen Gang vors Verfassungsgericht – sogar in der CDU
RUTH HIERONIMY, MEDIENEXPERTIN DER CDU
VON STEFFEN GRIMBERG
Immerhin einer sah die umstrittene Entscheidung des CDU-dominierten ZDF-Verwaltungsrats, eine Verlängerung der Amtszeit von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender abzulehnen, gelassen: Bundespräsident Horst Köhler, der nach dem Bundespresseball am Freitag mit den schönen Worten zitiert wurde, davon gehe „die Welt nicht unter“.
Doch auch wenn die Welt noch existiert, wird der Fall wohl bald die Gerichte beschäftigen: Die SPD-Medienkommission wird am 7. Dezember zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über ein sogenanntes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht zu beraten. Darüber hinaus kämen Änderungen im ZDF-Staatsvertrag in Betracht, hieß es am Sonntag aus der SPD-Bundestagsfraktion. Dass die Union durch ihre Haltung im Verwaltungsrat des Senders der Rundfunkfreiheit schweren Schaden zugefügt habe, dürfe „nicht ohne Konsequenzen bleiben“.
Die Grünen hatten bereits vergangene Woche den Gang nach Karlsruhe angekündigt (siehe Beitrag rechts). Und selbst in der CDU gibt es positive Stimmen, die der Parteispitze weniger gefallen dürften: „Ich würde es klar begrüßen, wenn es zu einer rechtlichen Überprüfung käme“, sagte die langjährige Medienexpertin der CDU im Europaparlament, Ruth Hieronimy, am Samstag beim Journalistentag NRW in Recklinghausen. Zwar ziehe sie die Rechtmäßigkeit und Begründung der von Hessens Ministerpräsident Roland Koch im ZDF-Gremium herbeigeführten Entscheidung gegen Brender nicht in Zweifel, doch nun sei der „Zeitpunkt da“, weil „Entscheidungsstrukturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk breit in der Öffentlichkeit“ diskutiert würden. „Wir brauchen hier viel mehr Transparenz“, so Hieronimy: „Es darf nicht der Verdacht entstehen, dass die Leistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Sog des Parteieneinflusses gerät.“
Am Freitag hatte der ZDF-Verwaltungsrat die von Intendant Markus Schächter vorgeschlagene Vertragsverlängerung von Brender über den März 2010 hinaus abgelehnt. Auf einer Sondersitzung des Gremiums soll noch vor Weihnachten einE neue ChefredakteurIn bestimmt werden. Brender selbst fordert ebenfalls den Gang nach Karlsruhe, da „das machtpolitische System im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Selbstheilung nicht in der Lage ist“. Die große Unterstützung für ihn vor der Verwaltungsratsentscheidung sei ein ermutigendes Signal für die vielen unabhängigen Journalisten im ZDF gewesen, so Brender.
Für Klaus Bresser, Brenders Vorgänger als ZDF-Chefredakteur, ist das Vorgehen der Union „organisierte Verfassungskriminalität“, da hier der eigentlich für wirtschaftliche Fragen zuständige Verwaltungsrat in die redaktionelle Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingreife. Die CDU wolle durch die nun anstehenden Personalrochaden wichtige Schaltstellen mit ihr nahe stehenden Personen besetzen, sagte Bresser beim Journalistentag NRW.
Als aussichtsreichster Kandidat für die Brender-Nachfolge gilt ZDF-Hauptstadtstudiochef Peter Frey. Ihn könnte in Berlin dann Bettina Schausten, Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Innenpolitik, beerben, heißt es in ZDF-Kreisen. Beim Bundespresseball hatte Frey laut Agenturberichten von einem „bitteren Tag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ gesprochen.