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1. MaiPolizei in Bombenstimmung

Nach der Kritik am Umgang der Polizei mit den vermeintlichen Rohrbomben sollen fragliche Funde künftig schneller auf ihre Gefährlichkeit getestet werden.

Wegen ihrer Informationspolitik nach dem 1. Mai heftig in die Kritik geraten: die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers. Bild: dapd

Längst haben sich die drei vermeintlichen Rohrbomben als harmlos erwiesen. Aber die Art und Weise, wie die Polizei mit den Alurohren umging, die am 1. Mai am Rande der revolutionären Demonstration von Beamten entdeckt worden waren, hallt im politischen Raum nach. Die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers und ihr Stabsleiter Jürgen Klug haben am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses Fehler im Umgang mit den Funden eingeräumt. Verdächtige Gegenstände müssten künftig sicherer und schneller auf ihre Gefährlichkeit hin überprüft und der Einsatzleitung und Behördenspitze gemeldet werden. Geprüft werde bei der Polizei auch ein Onlineverfahren, um den Informationsfluss zu verbessern.

Koppers hatte die Öffentlichkeit erst knapp eine Woche nach dem 1. Mai über den Fund der drei 40 Zentimeter langen Metallrohre informiert. Wegen ihrer Informationspolitik war sie heftig in die Kritik geraten. Sie hatte es auch versäumt, Innensenator Frank Henkel (CDU) frühzeitig persönlich über die Bombenfunde zu informieren. Erst nach der Sitzung des Innenausschusses am 7. Mai hatte die Polizei eine Warnung an die Bevölkerung herausgegeben.

Inzwischen ist klar, dass die Fundstücke ungefährlich sind. Bei einem Schnelltest am 3. Mai hatten Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts das im Rohr enthaltene Material zunächst als hochgefährliches Chlorat-Zucker-Gemisch eingestuft. Seinerzeit sei eine Kleinstmenge gezündet worden, sagte Koppers am Montag. Diese sei mit hoher Energie verbrannt. „Das deutete auf eine hohe Sprengkraft hin“. Wegen der verbliebenen Unklarheiten habe sie sich dennoch entschlossen, diese Information nicht vor der Sitzung des Innenausschusses öffentlich zu machen. Sie habe die Polizei auch nicht dem Verdacht aussetzen wollen, die linke Szene solle durch die vermeintlichen Bombenfunde kriminalisiert werden.

Bei der Sitzung des Innenausschusses am 7. Mai hatte Koppers dann doch in dramatischen Worten von den Rohrbomben berichtet. „Bei einer Zündung hätte man im Umkreis von 15 bis 20 Metern mit Schwerverletzten rechnen müssen“. Sie begründete dies am Montag damit, ein Sprengstoffexperte habe sie am Morgen vor der Sitzung darauf hingewiesen, was bei einer Explosion alles hätte passieren können.

Pyrotechnischer Nebelsatz

Einem richtigen Test unterzogen wurde eines der Rohre erst zehn Tage nach dem Fund. Das im Rohr enthaltene Material verbrannte laut Polizei langsam und gleichmäßig. Nun sei klar, dass sich um kein explosionsfähiges Material gehandelt habe, sondern um einen „pyrotechnischen Nebelsatz“, sagte Koppers am Montag.

Die Abgeordneten der linken Opposition problematisieren das „Informationschaos“. Koppers hätte nicht mitten im Galopp die Pferde wechseln dürfen, meinte Udo Wolf (Linkspartei): „In der Not bringt der Mittelweg den Tod“. Der Grüne Benedikt Lux merkte trotz aller Kritik an, es sei gut, dass die Polizei die Fehler benannt habe. „Das war vor ein paar Jahren noch nicht üblich“. Künftig werde der richtige Test – „der belastbare Labortest“ – schneller erfolgen, kündigte Innensenator Frank Henkel (CDU) an. Erst dann werde die Lage beurteilt und nach außen kommuniziert.

Was die Besetzung des Postens des Polizeipräsidenten betrifft gibt es wenig Neues: Laut Henkel liegen inzwischen 15 Bewerbungen vor. Das Auswahlverfahren solle zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Über die Eignung der Kandidaten entscheide eine Auswahlkommission.

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7 Kommentare

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  • S
    sorbas

    Aber das Springer Hetzblatt hatte genug Zeit,

    friedliche Demonstranten als Bombenleger zu

    defarmieren.

    Und nur darum ging´s.

    Der Doofbürger sollte mal wieder sehen wie gefährlich

    Demos sind.

  • K
    Karl

    @ Lena

     

    Ob die aufgefundenen USBV wirklich harmlos waren, ist aus der desaströsen Informationlage leider nicht ersichtlich.

     

    Es sei daher explizit darauf hingewiesen: das ist möglich, muss aber nicht zutreffen!

     

    Das ganze Ding hat ein übles Geschmäckle!

     

    Möchte fast wetten, auch ohne selbst eine Blick drauf geworfen zu haben, das die "bestellt" waren und jemand mit viel Sachverstand alles vorbereitet hat.....

     

    Wenn dem nicht so wäre, könnte das Land ja auch mal einne neutralen Prüfer dran lassen und die Details der KTU veröffentlichen, aber irgendwie bin ich sicher das wird nicht eintreten......

     

    Genug Futter für qualifizierte Fragen haben die Kommentare ja der Fr. Plarre geliefert.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • L
    lena

    "Inzwischen ist klar, dass die Fundstücke ungefährlich sind."

     

    Also sind es keine gefährlichen Rohrbomben!

     

    Das ist vielleicht eine Politik! Solche Funde müssen doch sofort getstete werden, aber stattdessen wird lieber im Ausschuss Panik verbreitet.

     

    Wem nutzt es?

     

    Den Demonstranten nicht.

  • K
    Karl

    Nachtrag:

     

    Der "Abbrandtest" ist unter Zuhilfenahme von berührungsloser Temperaturmessung und Spektralfotographie immer ein recht guter ANHALT für den Energiegehalt und die Umsetzungsgeschwindigkeit im offenen Abbrand!

     

    Das Verfahren läßt keine absoluten Rückschlüsse auf die Umsetzungsgeschwindigkeit unter Einschluss (Verdämmung) zu!

    Das muss gemessen werden!

     

    Dazu kommt noch die Frage der Aktivierungsenergie, weil eine Zündschnurzündung eine andere Anlaufcharakteristik aufweist, als eine Aktivierung mit Detonator!

     

    Zudem ergeben sich weitere Schwierigkeiten, denn Zubereitungen mit Chloratanteil verhalten sich anders als solche mit Perchloratanteil, obwohl die "Brennprobe" ähnlich ausfallen kann! Chlorate neigen mitunter zur Selbstentzündung....

     

    Da wäre es auch empfehlenswert mal bei dem Fachdienst nachzufragen, ob "Chlorat" oder "Perchlorat" verwendet worden ist; weil letzteres tatsächlich relativ ungefährlichen Abbrand sicherstellt, während Chlorate etwas unberechenbar sind!

     

    Das dürfte aber qualitativ über die Phasenanalyse (Röntgenbeugung) bestimmt worden sein?

     

    Kurz:

     

    Wer auch immer die Zubereitungen laboriert hat, wusste sehr wahrscheinlich genau, was er da tat, oder die Analytik im KTU-Bericht ist derbe unvollständig!

     

    Gibts dazu eigentlich Angaben zur Schlag- und Reibempfindlichkeit?

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • R
    RominaJ

    Auch ohne über die Sprengstoffkenntnisse von Karl zu verfügen, habe ich Frau Koppers Kommunikation in dieser Sache als besonnen und vernünftig empfunden. Sie schien mir auf eine Art dem Innensenator dienstbar, die ihre Eigenständigkeit in der Sache klargestellt hat und möglichen Hardlinern und Schnellschießern kein Futter geben wollte. Das war für eine angeblich nur vorübergehende Polizeipräsidentin hoch souverän! Weil es nach ihr bei den jetzigen Aussichten wohl nur wieder schlechter werden kann, hoffe ich auf ihre unbefristete Übernahme!

  • H
    Hannelore

    Wieviele Patzer darf sich Frau Koppers noch leisten, bis sie unehrenhaft und unter Streichung ihrer Pensionsansprüche endlich entlassen wird?

  • K
    Karl

    Was genau soll diese Verharmlosung von Inkompetenz?

     

    Aber klar doch, jeder Entschärfer kann zaubern und erkennt unmittelbar, ob eine USBV verlagerungsempfindlich ist oder nicht...

     

    Und auch ganz einfach, ein solches Objekt spurenerhaltend blitzartig abzutransportieren,

     

    zu rönten

     

    vorsichtig zu delaborieren...

     

    Und dann folgt die KTU auch "blitzartig"? Will der Artikel unterhalten oder nimmt die Autorin die Leser nicht ernst?

     

    Bestimmung der Komponenten mit physikalischen Eigenschaften ist eine Sache, aber zaubern i.S. von sehr schnell klären ist meist nicht möglich!

     

    Gerade bei kristallinen Sauerstoffträgern ist es ja mit IC lange nicht getan. Beugung, Fluoreszenz etc....

     

    Auch die Art der Konfektionierung solcher Selbstlaborate ist für die Beurteilung relevant, denn auch Zubereitungen die von der ursprünglichen Zusammensetzung her als Schwelsatz gedacht waren, können unter bestimmten Umständen schwach detonieren.

     

    Das sich mit chlorathaltigen Selbstlaboraten erhebliche Sprengleistungen darstellen lassen, dürfte auch unter den Lesern bekannt sein. Mann muss dazu nichtmal den "Urbanski" lesen....

     

    Glück auf!

     

    Karl