1.-Mai-Demos in Berlin: Polizei findet Rohrbomben
Der 1. Mai in Berlin war friedlich wie lange nicht. Nun sagt die Polizei, sie habe Rohrbomben an der Demoroute entdeckt – mit einem Wirkungsradius von bis zu 20 Metern.
BERLIN taz | Erst mit einer knappen Woche Verspätung ist die Berliner Polizei mit einer beunruhigenden Nachricht herausgerückt: Am Rande der abendlichen revolutionären 1.-Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg hätten Polizisten „drei Rohrbomben“ gefunden, sagte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses.
Die mit einem Sprengstoff-Selbstlaborat gefüllten Alurohre hätten entlang der Demonstrationsroute am Straßenrand gelegen. Polizisten hätten die Rohre gefunden, die Einsatzleitung habe davon aber erst im Nachgang erfahren. „Hätten wir das sofort erfahren, hätten wir den Aufzug mit relativer Sicherheit beendet“, sagte Koppers.
Der diesjährige 1. Mai in Berlin hatte zunächst als einer der friedlichsten der vergangenen Jahre gegolten. Krawalle und Ausschreitungen waren ausgeblieben. Mit dem Fund der mutmaßlichen Rohrbomben erscheint der Tag nun möglicherweise in einem anderen Licht.
Die Rede ist von 2,5 mal 40 Zentimeter großen Alurohren. Ob diese in der Lage waren zu zünden, wird laut Koppers zurzeit vom Landeskriminalamt untersucht. Man fertige einen Nachbau an. In den nächsten Tagen sei man schlauer, so ihre Hoffnung.
„Der Bauart nach handelt es sich um eine klassische Rohrbombe“, sagte die Polizeichefin. Die Metallröhren seien randvoll mit einem Chlorat-Zuckergemisch gefüllt und mit einer Lunte versehen gewesen. „Bei einer Zündung hätte man im Umkreis von 15 bis 20 Metern mit Schwerverletzten rechnen müssen“, so Koppers.
Die Gefährlichkeit der Fundstücke war nach Angaben eines Polizeisprechers erst am 3. Mai erkannt worden. Zunächst seien die Rohre wie ganz normale Beweisstücke behandelt und auf einen Polizeiabschnitt verbracht worden. Die Polizei hat bisher eigenen Angaben zufolge keine Erkenntnisse über den oder die Erbauer. Ein Chlorat-Zuckergemisch sei bei früheren Anschlägen erfolgreich verwendet worden, sagte die amtierende Polizeichefin Koppers am Montag. Dabei handele es sich um länger zurückliegende Anschläge aus den 70er Jahren, sagte ihr Sprecher.
Der Innenpolitiker der Berliner SPD, Thomas Schreiber, warnte im Ausschuss vor einer voreiligen Festlegung auf Täter aus der autonomen Szene. Die Bomben könnten auch aus dem rechten Spektrum in die Demo geschleust worden sein. Auch ein Sprecher des Demobündnisses 1. Mai warnte gegenüber der taz vor voreiligen Schuldzuschreibungen. Eine angebliche Splitterbombe, die laut Polizei 2010 bei einer Anti-Krisen-Demonstration gezündet worden war, habe sich im Nachhinein auch als Feuerwerksböller entpuppt.
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