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■ Warum Teile der Altlinken mehr Macht und Kontrolle für Krankenkassen-Bonzen wollen, fragen sich taz-lesende ÄrztInnen.Wem steht die Macht zu?

betr.: „Honorare wie im alten China“ u.a., taz vom 26. 4. 00

Es geht nicht um Qualität, sondern um Einsparmöglichkeiten der Kassen. Da die ärztlichen Leistungen schon seit Jahren gedeckelt sind, beziehungsweise budgetiert, kann beim einzelnen Arzt nicht mehr viel eingespart werden, sondern nur noch beim Patienten. Der Ansatz: Behandlungskosten, wohl wissend, dass die wirklichen Kostenverursacher unheilbare Krankheiten sind. Und hier stimme ich mit Herrn Rebscher überein: Zahlung nur bei Erfolg. Zum Beispiel Aids. Keine chronische Erkrankung. Heilungschancen gleich null, ergo kein Behandlungserfolg – keine Kosten. Medikamentenersparnis zirka 30.000 DM/anno. Zirka 80 Prozent der Erkrankten kennen den Übertragungsweg.Warum soll die Kasse das bezahlen? Weitere Einsparmöglichkeit wäre Krebs im fortgeschrittenen Stadium, da in den wenigsten Fällen heilbar, keine Bezahlung und von ärztlicher Seite keine Behandlung. [...]

Bei Patienten, bei denen der Behandlungserfolg absehbar nicht eintreten kann (zirka 50 Prozent) tritt die Kasse nicht in die Versicherungspflicht (Große Einsparmöglichkeit). Es bleiben als Kostenträger Sozialversicherung oder neue Diskussion um Euthanasie. Was das alles mit Ärzten zu tun hat, ist mir schleierhaft. Ich habe nur verstanden, dass eine Art Werkvertrag geschlossen werden soll, das schließt natürlich mit ein, dass bei Totalschaden oder unverhältnismäßigem Aufwand eine Reparatur nicht mehr lohnt. Oder sollte ich alles falsch verstanden haben – ein schlechter Witz?

Qualität kostet erst mal Geld und vor der Therapie (erfolgreich oder nicht erfolgreich) steht immer noch die Diagnose, und dazu bedarf es natürlich auch eines gewissen apparativen Standards. Wie soll man sonst einen Blasen- oder Nierentumor frühzeitig diagnostizieren? [...] Warum nicht eine Einheitsversicherung mit der Möglichkeit privater Zusatzversicherung? Und jeder einkommensteuerpflichtige Bürger – ohne Ausnahme – müsste einzahlen. Ein riesiges Einsparpotenzial und man würde sich wirklich mal um etwas Sinnvolles streiten. DIETMAR ROHM, Arzt, Berlin

Fragen wir einen, „der weder Arzt ist noch sich als Patient fühlt“ (1), einen Philosophen, der gerade 100 geworden ist.

Er schreibt: „Die Handwerkskunst vermag ihre Kompetenz gegen die Einrede des Laien leicht zu verteidigen. Im Gelingen seines Tuns findet dies Wissen und Können seine Bestätigung. (...) dagegen gibt es für den Arzt kein solches vorweisbares Werk. Die Gesundheit des Patienten kann nicht als ein solches gelten. Obwohl sie natürlich das Ziel der ärztlichen Tätigkeit ist, wird sie nicht eigentlich von ihm ‚gemacht‘ “. (2) Und an anderer Stelle: „Gesundheit ist nichts, was man machen kann. Aber was ist Gesundheit überhaupt?“ (3) Denn: „Das Ziel, die Gesundheit, ist nicht ein sozialer Tatbestand, sie ist auch ein psychologisch-moralischer Tatbestand, weit mehr als ein von den Naturwissenschaften aus bestimmbares Faktum.“ (4)

Soweit kann man also denken, auch ohne medizinische Sachkenntnis zu besitzen. [(1) Hans-Georg Gadamer, Über die Verborgenheit der Gesundheit, Suhrkamp, Ffm 1993, S. 7; (2) ebda., S. 36; (3) ebda., S. 7; (4) ebda., S. 36] ALBRECHT BÄRENZ,

Arzt für Allgemeinmedizin, Grasellenbach

Wenn VdAK-Chef Rebscher erklären kann, wieso ein Kind an Krebs stirbt und ein anderer gesund mit 100 stirbt, dann darf er seine unsinnige Forderung stellen.

In den 60ern wurde uns die Heilung von Krebs prophezeit. Das Gegenteil ist der Fall, es kamen noch schwere Krankheiten hinzu. Außerdem negiert er a priori den Komplex der psychosomatischen Krankheiten, deren Heilung, wenn überhaupt, Jahre dauert, ganz zu schweigen von der alternativen „begleitenden“ Medizin. Vielleicht will er nur der Genmanipulation am Menschen das Wort reden. GÜNTER SCHULLENBERG, Düsseldorf

Als Hausarzt war mit sofort klar, dass die Vorschläge von Herrn Rebscher keinesfalls das Ziel einer besseren medizinischen Qualität haben können. Natürlich gibt es einige wenige Patienten, die nach Behandlung gesund sind: Junge Leute mit Blinddarmentzündung zum Beispiel. Die überwiegende Mehrzahl der heute zu behandelnden Patienten leidet aber an Bluthochdruck, Diabetes und/oder Arteriosklerose und ist vergleichsweise älter. Dieser Teil der Bevölkerung wird zahlenmäßig in den nächsten Jahren zunehmen, eine gewaltige Aufgabe für die Medizin. Hier geht es nicht um „Heilung“, sondern um Prävention von Folgekrankheiten (Herzinfarkt etc.). Der Erfolg dieser Tätigkeit kann zwar mit statistischen Mitteln erfasst werden, er kann aber nicht im Einzelfall dem jeweiligen Behandler zugeordnet werden. Daher ist das Denkmodell einer „erfolgsorientierten Honorierung“ auch Unsinn und ich denke, dass ist dem Herrn auch klar. Ihm geht es nicht um Qualität, sondern schlicht um noch mehr Kontrolle. Die Frage ist: Wem steht die Macht zu im Gesundheitswesen?

[...] Kein Mensch käme auf die Idee, der Feuerversicherung die größte Kompetenz im Feuerlöschen zuzuschreiben. Warum sollten die Krankenkassen die besten medizinischen Konzepte haben? Wer direkt mit ihnen zu tun hat, weiß, dass es sich hier um schwerfällige Verwaltungsapparate mit wenig Bezug zu den Patienten handelt. Davon leisten wir uns bundesweit übrigens weit über 500. Ihre Verwaltungskosten sind in den letzten Jahren immens gestiegen, weitaus schneller als die Kosten der ambulanten Medizin.

Warum also wollen Teile der Altlinken heute mehr Macht für die Bonzen? Offenbar wirkt das Feindbild Arzt so stark in manchen Köpfen, dass für Recherche kein Raum mehr ist.

Qualitätskontrolle in der Medizin ist längst üblich. Sie sollte sicher auch noch ausgebaut werden. Sie sollte aber bitte durch kompetente Leute und nicht durch Bonzen durchgeführt werden.

KLAUS STELTER, Hamburg

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