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Archiv-Artikel

… Rohkost in Zeiten von Ehec? Wunderbar schmecken

Von mah

Würde er die Verzehrwarnung befolgen, die Ehec über das Land gebracht hat, Helge Grotelüschen müsste verhungern. Er legt nämlich nicht nur ab und an ein Blatt Salat aufs Brot. Grotelüschen isst ausschließlich Rohkost. Das sei nicht nur „die gesündeste Ernährung überhaupt“, sondern – jenseits der Ehec-Nachrichtenlage – auch ein Trend. Deshalb hat der 48-Jährige jetzt im Schmargendorfer Sport-Gesundheitspark ein Rohkostrestaurant eröffnet. Das erste in Deutschland, sagt er.

Als Grotelüschen vor ein paar Monaten beschloss, nicht nur bei sich, sondern auch für andere die Küche kalt zu lassen, konnte er freilich nicht ahnen, dass ein widerlicher Darmkeim seiner Leibspeise ungewollte PR liefern würde. Die Eröffnung am vergangenen Samstag mochte er trotzdem nicht verschieben. „Wenn irgendwo Gammelfleisch gefunden wird, hören die Leute doch auch nicht auf, Fleisch zu essen“, sagt er.

Es gebe aber auch Vorurteile gegen Rohkost, die mit Durchfall nichts zu tun haben und viel tiefer sitzen als fluktuierende Lebensmittelskandale. So seien Rohkostrestaurants in Amerika längst der letzte Schrei – in Deutschland halte sich aber hartnäckig das Gerücht, Rohkostler seien schmallippige Genussverweigerer, die sich mit Selleriesticks und Apfelschnitzen über den Tag retten, ohne jemals satt zu werden. Zu Unrecht, findet Grotelüschen, der sein Restaurant „gesund und sündig“ genannt hat. Mit Rohkost sündigen – wann passte das besser als in diesen Tagen?

Das dachten sich auch 250 BerlinerInnen und bekamen beim ausgebuchten Eröffnungsmenü unter anderem Rote-Beete-Ravioli mit Estragon-Cashew-Käse serviert. Also Ravioli aus Roter Beete und Käse aus Nüssen.

„Koch“ Grotelüschen, der im eigentlichen Sinne kein Koch ist, erhitzt keine seiner Speisen über 42 Grad: „Sonst werden die Nährstoffe und vor allem Enzyme abgetötet“. Brot wird 14 bis 16 Stunden getrocknet statt gebacken. Tierische Produkte gibt es keine. Die Hauptgerichte kosten bis 7 Euro und kommen mit wohlklingenden Namen wie „Blumenkohl-Samosas mit Bananen-Tamarinden-Sauce“ oder „Arabisches Kräuter-Pide Za-Atar mit Mandel-Hummus“ auf den Tisch. Ab heute steht „gesund und sündig“ montags bis freitags all denen offen, die den Rohkost-Boykott boykottieren wollen.

Ein bisschen vom Ehec-Trubel hat sich allerdings auch in Grotelüschens Rohkostwelt eingeschlichen. Zumindest auf die in allgemeine Ungnade gefallenen Tomaten, Gurken und Salate hat er am Eröffnungsabend verzichtet. mah

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