… Effi Briest? : Die Touristen verwirren
Berlin hat den Touristen immer was zu bieten: Überraschungen, Spannung, Straßensperren. Gestern hatte Mitte mal wieder ein Über-Event parat. Schilder hatten es angekündigt: „Am Sonntag Straßensperrung Unter den Linden“. Warum stand dort nicht.
Zu Fuß kam man bis Neue Wache und Stabi, wo die Event-Hochsicherheitszone begann, signalisiert durch rot-weißes Flatterband. „Des isch ja allerhand“, sagte eine Besucherin aus Stuttgart, die zum Bebelplatz wollte. „Da isch doch die Oper, oder?“, fragt sie und zeigt auf das Gebäude, das zum Greifen nah scheint. So geht es allen Touristen, die vom Brandenburger Tor kommen. Viele mit Reiseführer in der Hand, in dem drinsteht, dass hier eine „Flaniermeile“ sei.
Beim Flatterband stehen junge Männer mit orange Signalweste und Walkie-Talkie. Sie sehen ausnahmslos gut aus und geben freundlich Auskunft. Filmarbeiten. Man kann außen rum. Alle Touristen sind erleichtert. Aber die Spannung steigt wieder: Was wird hier gedreht, ist die Frage. Eine Frau fragt, wo Tom Cruise ist. Der junge Mann in Signalweste weiß das nicht, er weiß bloß, dass es um Effi Briest geht (im Bild: das historische Vorbild für Fontanes Roman, Freifrau Elisabeth von Ardenne). Vor der Humboldt-Uni liegt Sand, darauf stehen Frauen mit bodenlangen Röcken und Hüten. Ein junger Franzose fragt, ob Effi Briest ein Thriller sei. Das weiß der Mann mit Signalweste auch nicht, er ist nur „Blockierer“, wie er sich nennt. Bei der Neuen Wache verrät ein Italiener einer Frau gerade sein Mehrwissen über die Stadt: „Berlin im Winter, eine Wucht. Überall hübsche Weihnachtsmärkte. Schau, hier bereiten sie gerade solch einen Markt vor“, er zeigt auf die Absperrung. „Sie drehen einen Film“ sagt sie.
Kutschen fahren am Kronprinzenpalais vorbei, die Touristen knipsen. Ein Besucher aus Bayern gibt zu, dass er nicht bei jeder Straßensperrung gelassen ist: „A blödsinnige Demonstration, das seh ich nicht ein.“ Aber ein Film vor historischer Kulisse, das ist ein Argument. Da haben die Event-Manager richtig gelegen. G. PITRONACI FOTO: ARCHIV