… DIE MIETENPROTESTBEWEGUNG? : Zukunft in der Vergangenheit finden
Es war einmal in einer weit entfernten Zukunft. Da schipperte das Raumschiff „Enterprise“ durch die Weiten der Galaxie – und nichts ging mehr. Die elektronischen Schiebetüren klemmten, und die Videotelefone zum Heimatplaneten lieferten nur noch krisselige Bilder. „Oh Gott, auf diesem Schiff funktioniert aber auch überhaupt nichts“, stöhnte Captain Kirk. „Die Raumschiffverwaltung hat wirklich Nerven, uns dafür noch Betriebskosten zahlen zu lassen“, pflichtete ihm ein Kollege bei. Doch es kam noch schlimmer. Die Raumschiffverwaltung kündigte per Funkspruch eine Mieterhöhung um 1.000 Prozent an, weil eine Firma aus Bonzanien das gesamte Schiff gekauft habe. Die gehe in drei Schritten vor: Mieterhöhung. Kündigung. Luxusmodernisierung. Verzweiflung bei Kirk und seiner Crew.
Zum Glück wusste wenigstens Lieutenant Commander Spock einen Rat. Das alte Spitzohr erinnerte seine geschichtsvergessenen Kollegen an „eine primitive Epoche, total naiv, im 20. Jahrhundert“. Damals sei billiger Wohnraum zugunsten profitgeiler Spekulanten verloren gegangen. „Dies blieb bis heute so!“, dozierte Spock. Lediglich ein paar helle, engagierte Köpfe hätten demonstriert. „Sie waren der Schlüssel der Veränderung.“ Dummerweise seien sie ignoriert worden. „Nur in der Vergangenheit retten wir die Zukunft“, analysierte Spock. Schon machte sich die „Enterprise“ auf den Weg, um die Demonstranten im einstigen Berlin zu unterstützen, und startete eine Zeitreise – aber nicht ins gentrifizierungsgeplagte Jahr 2012, sondern in den September 1992.
Aus dieser Zeit nämlich stammt das beschriebene, gut fünfminütige Video. „AK Kraak“, die Videobrigade aus der Ostberliner Hausbesetzerbewegung, hatte Material aus der Raumschiff-Serie neu vertont. Das Filmchen wurde mithilfe des heute längst vergessenen Mediums VHS-Kassette in Szenetreffpunkten gezeigt, um für eine der ersten „Wir bleiben alle“-Demonstrationen zu mobilisieren. Nicht ohne Erfolg.
Weit über 10.000 Menschen zogen am 9. September 1992 vor das Rote Rathaus, um gegen Mieterhöhung und Vertreibung aus der Innenstadt zu protestieren. Dauerhaft erfolgreich waren die Demonstranten bei ihrem eigentlichen Anliegen nicht. Was blieb, war die Marke „WBA – Wir bleiben alle“. Sie dient seither als Slogan für sämtliche stadtentwicklungspolitischen Proteste.
So auch an diesem Samstag wieder. 30 Initiativen hatten zum „WBA“-Protest „gegen Sozialabbau, Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt!“ aufgerufen. Es kamen – gut 500 Demonstranten. Der Rest war offenbar Spocks Aufruf gefolgt – und per Zeitreise ins Jahr 1992 unterwegs. GA Foto: NBC
Das „AK Kraak“-Video im Internet: tinyurl.com/9b5du3u