… DIE BRIEFTAUBE? : Für den Frieden malochen
Wenn Sie am kommenden Sonntag etwas im Freien unternehmen wollen, sollten Sie einen Schirm dabeihaben. Selbst aus heiterem Himmel könnte plötzlich ein weißlich-schleimiger Schauer niedergehen: der Darminhalt von rund 65.000 Brieftauben, die anlässlich des Weltfriedenstags am 1. September in den Berliner Himmel steigen werden. Auf einem „Sternflug“ steuern die graublauen Flattertiere ihre heimatlichen Schläge in Polen, Russland, Tschechien, Dänemark, den Niederlanden und Deutschland an.
Der „Auflass“, also die kontrollierte Befreiung der Tauben aus ihren mobilen Verschlägen, geschieht an fünf Stellen im Norden und Osten der Stadt. Ganz und gar symbolisch wird es aber um 12 Uhr am Neptunbrunnen: Hier lassen Landesbischof Markus Dröge, Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau weiße Tauben „als Symbol des Friedens“ steigen, wie der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter mitteilt.
„Für Frieden und Toleranz“ werbe die Aktion, so der Verband. Der internationale Brieftaubenauflass symbolisiere „das grenzenlose Verständnis zwischen Menschen“. Schön und gut. Wir wollen den kirchlichen und politischen Symbolbeduselten an dieser Stelle trotzdem mal in die Suppe spucken: Mit ihren Tauben verbindet die Züchter keine romantische Tierliebe, sondern kalkuliertes Prestige- und Gewinnstreben. Die Vögel werden nach Leistungskriterien selektiert, wer nicht schnell und weit genug fliegt, springt über die Klinge. Die anderen müssen für die Preisgelder ihrer Halter am Himmel malochen. Bis zu 30 Prozent der aufgelassenen Brieftauben kommt nicht lebend beim Züchter an, sagen Kritiker. Frieden und Toleranz für Tiere, das wäre auch mal keine üble Idee. CLP Foto: ap