piwik no script img

Archiv-Artikel

… DER CARL HANSER VERLAG? Bald Bücher in Berlin

Suhrkamp hat es getan. Rowohlt auch. Und nun eröffnet der Carl Hanser Verlag aus München eine Dependance in Berlin. Komplettumzug vielleicht nicht ausgeschlossen. Denn Verlagsleiter Michael Krüger geht auf die 70 zu, denkt ans Aufhören in den nächsten Jahren, und dann kommen Neue, die meist neue Ideen haben. Was ja okay ist.

Dass die Hauptstadt Verleger, Lektoren und Dichter seit zehn Jahren en masse anzieht, ist augenscheinlich. Geht es doch um Geld und Ruhm. Aber während Ulla Unseld-Berkéwicz viel PR-Tamtam um den Suhrkamp-Umzug von Frankfurt/Main nach Berlin machte, packt Hanser die Sache recht pragmatisch und unprätentiös an. Man wolle an der Spree „präsent sein“, sagt Krüger, da sich hier die intellektuellen und schriftstellerischen Kapazitäten versammelten. Berlin sei kulturell „einzigartig“ unter den deutschen Städten geworden. „Da werden wir uns dran beteiligen und das nicht den Berlinern überlassen.“

Für das Programm reizvoll seien nicht nur die Schriftsteller, sondern ein literarischer Kontext wie das Wissenschaftskolleg, der DAAD, die American Academy, das Einsteinforum in Potsdam, drei Universitäten, Literatur-Festivals, „ein gigantischer laufender Betrieb“, so der Verlagschef. Es geht also ums Konzept und nicht, wie bei Suhrkamps, um Kultstandorte à la Pappelallee. Hanser Berlin hat hier noch gar keine Unterkunft – zumindest heißt es so offiziell. Und wie viele Mitarbeiter aus Bayern herziehen, weiß man ebenfalls noch nicht.

Berlin darf also wirklich auf die Münchner gespannt sein, wie sie den laufenden Betrieb aufmischen. Denn der Verlag hat was: etwa jede Menge Büchner-Preis-Gewinner und 14 Nobelpreisträger, aktuell 2011 den alten Schweden Tomas Tranströmer. Clever ist auch, dass Krüger gedenkt, Elisabeth Ruge als künftige Hanser-Berlin-Chefin anzuheuern. Eigene Produktionen soll sie machen, literarische Werke und Sachbücher, sagt der Chef. Den Rest, den Vertrieb, die Buchhaltung und so, machen wir von München aus. Das klingt nach Unabhängigkeit.

Ruge kennt die literarische Szene an der Spree sehr genau, seit sie 1994 mit Arnulf Conradi den Berlin Verlag gründete und diesen Anfang 2011 verlassen hat. Gute Autoren zog Ruge damals an Land: Richard Ford und Richard Sennett, Ingo Schulze und Margaret Atwood oder Jan Peter Bremer. Es war eine besondere literarische Programmlandschaft unter ihrer Regie. Gleich wird gefragt, ob denn nun auch Schulze und Co. rüber zu Hanser machen und ihrer einstigen Lektorin folgen werden. Gemach, das werde man sehen, antwortet Ruge cool. Recht hat sie, denn man sollte der Frau fürs Büchermachen zutrauen, dass sie ihr eigenes Ding macht, bei Hanser Berlin. ROLF LAUTENSCHLÄGER

Foto: Nevit Dilmen (cc)